Wie Füh­rung (sich) ein­sam macht

Oder Ver­ant­wor­tung 4.0 oder vom Kopf des Fisches

Eine T3N-Kolum­ne titel­te ›Wenn du ent­schei­den willst, musst du allein sein kön­nen‹ und ver­knüpf­te ›fla­che Hier­ar­chien und dezen­tra­le Ver­ant­wor­tung‹ unmit­tel­bar mit der Kon­se­quenz: ›…, dass Ent­schei­dun­gen nur allein getrof­fen wer­den kön­nen‹. Sicher ist: Füh­rung bedeu­tet Ver­ant­wor­tung. Wer ande­re Men­schen führt, ist für sie und ihr Han­deln ver­ant­wort­lich. Nur, ob man des­we­gen ein­sam sein oder gar allei­ne Ent­schei­dun­gen tref­fen muss, wage ich zu bezwei­feln. Doch wie kann man ver­mei­den, ein­sam zu werden?

Von klas­sisch, hier­ar­chi­scher Füh­rung und New Work

Was ich in mei­ner Ver­gan­gen­heit an Füh­rung ken­nen­ge­lernt habe, hat sei­nen Ursprung in staat­li­chen, wenn nicht gar mili­tä­ri­schen Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren des begin­nen­den 20 Jahr­hun­derts. Die Befehls­ket­te ver­lief von oben nach unten, die Berichts­ket­te umge­kehrt – von der Schu­le an. Der­je­ni­ge, der das Risi­ko trug, hat­te das letz­te Wort. In unte­ren Ebe­nen wur­den die erfah­rens­ten Fach­leu­te zur Füh­rung beru­fen. Der bes­te Hand­wer­ker wur­de zum Meis­ter und damit fast auto­ma­tisch zum Füh­ren­den – wie im Mili­tär die kühns­ten und tap­fers­ten Krieger.

Wenn man heu­te von Füh­rung oder Sonst was 4.0 hört, ist dies meist fest ver­knüpft mit Digi­ta­li­sie­rung, New Work – mit Attri­bu­ten wie lean und agi­le geschmückt. War­um? In der Welt der Wirt­schaft geht es immer schnel­ler zu. Kaum jemand kann sich heu­te vor­stel­len, was in zehn Jah­ren zur Rea­li­tät gehört oder Fik­ti­on bleibt. Die anste­hen­den Auf­ga­ben in Unter­neh­men und Gesell­schaft wird man kaum mit klas­si­schen Hier­ar­chien bewäl­ti­gen kön­nen. Was gera­de in der Poli­tik geschieht, ist ein mah­nen­des Beispiel.

Von Ent­schei­dun­gen und Verantwortung

Napoleon I by François Gérard; Quelle: The Met, http://www.metmuseum.org/art/collection/search/199313Füh­rung in der­art sprung­haf­ten Zei­ten braucht ein neu­es Selbst­ver­ständ­nis. Ich den­ke, genau hier tun sich die Kon­zer­ne beim Kurs- oder gar Kul­tur­wech­sel schwer. Galt doch vor­mals der Kön­nens- oder Wis­sens­vor­sprung als Legi­ti­ma­ti­on für Füh­rung. Begrif­fe wie Koope­ra­ti­on oder Kol­la­bo­ra­ti­on such­te man da in Stel­len­be­schrei­bun­gen von Füh­rungs­po­si­tio­nen ver­geb­lich. Da ging es meist ein­zig und allein ums Bes­ser­wis­sen – gepaart mit preu­ßisch durch­setz­ter DNA, Gehor­sam, Schuld und Stra­fe. Man ach­te auf die Begriff­lich­kei­ten, die in Unter­neh­men heu­te noch herumgeistern.

Dazu kommt heu­te eine über­la­de­ne oder ver­zwei­fel­te Erwar­tungs­hal­tung: Soll das neue Lea­der­ship doch alles anders machen. So, wie in den ech­ten Start­ups. Doch da hat man es mit­un­ter etwas leich­ter – wo der Bal­last aus der His­to­rie, wo Tra­di­ti­on und die Erfol­ge der Ver­gan­gen­heit fehlen.

Ver­gan­ge­ne Erfol­ge wur­den evo­lu­tio­när ent­wi­ckelt und errun­gen. Doch die damals ange­wen­de­ten Ver­fah­ren und Metho­den tau­gen viel­leicht heu­te nicht mehr. Aus der ehe­ma­li­gen Unter­neh­mens­ent­wick­lung lässt sich mit­un­ter kaum noch die Zukunft inter­pre­tie­ren. Dis­rup­ti­on heißt das Gespenst, das da her­um­geis­tert. Das bedeu­tet, es gibt eine meist tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lung, die dar­auf pfeift, was bis­her üblich war. Die­se sägt respekt­los an bestehen­den Geschäfts­mo­del­len. Wie soll man dar­auf nun reagie­ren, wo in noch so erfolg­rei­chen Unter­neh­men die Erfah­rungs­wer­te gänz­lich feh­len? So kommt es in Vor­stands­eta­gen schon ein­mal zu Stil­blü­ten – oder kras­sen Fehl­ein­schät­zun­gen, wie das Buch ›The Innovator’s Dilem­ma‹ beschreibt und in den Zita­te­samm­lun­gen im WWW zu lesen ist.

Als gäbe es kei­nen Mit­tel­weg, gehen manch gro­ße Unter­neh­men oder deren Füh­rungs­kräf­te recht bra­chi­al ans Werk: Klas­sisch hier­ar­chisch und doch unter dem Deck­män­tel­chen der Moder­ne wird der neue Kurs top-down ver­fügt: Alles auf anders! Das bedeu­tet für die kom­plet­te Orga­ni­sa­ti­on, ganz viel Neu­es in kür­zes­ter Zeit zu ler­nen und gleich auch (feh­ler­frei) anwen­den zu sollen.

Frau am Notebook

Dazu gibt es eine Druck­be­tan­kung mit Metho­den und Werk­zeu­gen. Wer sol­che Maß­nah­men solo ent­schei­det und die ihm anver­trau­ten Men­schen nicht ein­be­zieht, wird viel­leicht eine ein­sa­me Per­son wer­den. Aber wie nimmt man Mit­ar­bei­ten­de wirk­lich mit? Bewah­ren Sie sich noch einen Moment Ruhe und fas­sen Sie sich schon mal an die eige­ne Nase. Denn da geht es los mit der wirk­sa­men Veränderung.

Von Füh­rung und Persönlichkeit

Füh­ren hieß damals den­ken, ana­ly­sie­ren, ent­schei­den und befeh­len. Doch nun ver­än­dern sich die Erwar­tun­gen an Orga­ni­sa­tio­nen und die­je­ni­gen, die Teams und Grup­pen vor­an ste­hen. Bereits in den letz­ten bei­den Jahr­zehn­ten kamen Wün­sche hin­zu: Zuhö­ren und mit­ge­stal­ten woll­te und soll­te man. Man soll­te mei­nen, die­ser Kul­tur­wan­del wäre kei­ne gro­ße Kunst. Den­noch ver­birgt sich hier schon die Crux. (Sie­he wei­ter unten!)

Nun soll es noch mehr und noch mehr anders wer­den, lau­tet die Direk­ti­ve. Auch die­je­ni­gen, die agil füh­ren, haben sich per­sön­lich eher durch eine preu­ßi­sche Schul­kar­rie­re gezwängt. Dort galt der­je­ni­ge mehr, der mehr wuss­te. Gepaukt wur­de nach Lehr­plan und ange­krei­det wur­den die Feh­ler. Die meis­ten wer­den ihre Schul­zeit kaum mit Leich­tig­keit, Krea­ti­vi­tät und Flow asso­zi­ie­ren. Meist ging es so wei­ter bis ins Stu­di­um und die ers­ten beruf­li­chen Sta­tio­nen. Bis sie end­lich dort waren, wo sie jetzt sind. Wer bis hier­her Kar­rie­re machen konn­te, war oft eine flei­ßi­ge­re, tap­fe­re und von logi­schen Glau­bens­sät­zen gepräg­te Natur, für die die Unter­schei­dung von rich­tig und falsch einen Wert darstellt.

Nun sol­len genau die­se Men­schen die ver­an­ker­ten Über­zeu­gun­gen und Leis­tungs­re­fle­xe fal­len las­sen und anders füh­ren als sie es bis­her erlebt und getan haben – auch in der eige­nen Orga­ni­sa­ti­on. Nun geht es nicht mehr dar­um, es bes­ser zu wis­sen, es allei­ne zu kön­nen. Und doch macht man mit­un­ter damit den ver­sier­ten ›General‹isten zum Reprä­sen­tan­ten von etwas wie Montesso­ri­päd­ago­gik mit offe­nem Unter­richt und Freiarbeit.

Ein ande­res Bei­spiel ist wirk­li­ches Zuhö­ren: Ich habe tau­send­fach beob­ach­tet, dass in Mee­tings rein mecha­nisch zuge­hört wird. Da wird wäh­rend des Zuhö­rens bereits ana­ly­siert und beur­teilt: Ist das rich­tig, ist das falsch, was ich da höre? Bin ich der glei­chen Mei­nung oder gegen­tei­li­ger? Was gefällt mir dar­an, was will ich ergän­zen? Bin ich dafür oder dage­gen? Was wer­de ich dar­auf sagen und was nicht? Mit­un­ter kom­men noch tie­fer lie­gen­de emo­tio­na­le Aspek­te hin­zu. Etwa das Freund-Feind-Sche­ma und der anschlie­ßen­de Angriffs- oder Ver­tei­di­gungs-Reflex. Kurz gesagt: Fast jeder hängt da mehr oder weni­ger tief in unbe­wuss­ten Ver­hal­tens­mus­tern – auch Füh­rungs­per­so­nen. Ver­mut­lich glau­ben man­che davon immer noch, dass sie es bes­ser wis­sen müs­sen. Wenn sich all dies ver­mischt, wird man schnell wie­der ein­sam und muss Ent­schei­dun­gen allei­ne treffen.

Der Leser hier über­prü­fe ein­mal sei­ne Gedan­ken wäh­rend des Lesens. Eine gute Übung ist, zu beob­ach­ten, was gleich­zei­tig im eige­nen Ver­stand dabei abgeht. Und den­ken Sie mal an Ihre Mee­tings und Besprechungen!

Hören, ver­ste­hen, Verständnis

Das Gegen­teil davon ist für mich wirk­li­ches Zuhö­ren. Damit mei­ne ich, ande­ren so zuhö­ren, dass man sie echt ver­steht. Genau dies braucht es in der neu­en Welt der Arbeit. Ich bin über­zeugt, dass es immer mehr um Zuhö­ren geht.

Ich hör­te letz­tens ein rau­es Plä­doy­er einer Füh­rungs­per­son: ›Ich habe die Nase voll, ein­an­der nicht unter­bre­chen zu dür­fen. Ich kann die­se Ver­hal­tens­re­geln in Trai­nings nicht ab. Man­che Din­ge müs­sen eben sofort raus<. Dahin­ter ver­mu­te ich die Über­zeu­gung, es bes­ser zu wis­sen, was wich­tig und rich­tig ist. Doch Wis­sen ist nicht alles – und in der Füh­rung schon gar nicht.

Ana­ly­se, Erfah­rung und Wis­sen beru­hen auf Ver­gan­ge­nem. Dabei geht es doch heu­te dar­um, eine unbe­kann­te Zukunft zu gestal­ten. Denn man ist sich doch einig, dass es anders wer­den muss, wenn die Welt sich so schnell ver­än­dert. Oder nicht? Doch meist ist in Füh­rungs­eta­gen damit gemeint, alle ande­ren sol­len sich schnell ändern. Die­se Hal­tung macht die Füh­ren­den ein­sam. Ver­su­chen sie sich doch so, auf ele­gan­te Wei­se her­aus­zu­hal­ten: Ande­re sol­len machen, was ich für rich­tig hal­te. Ich will wei­ter­hin nicht zuhö­ren – weiß es eh besser.Frau hält Marker an Whiteboard und blickt entgegengesetzt in den Raum

Die neu­en Füh­rungs­men­schen in den Orga­ni­sa­tio­nen sol­len es jedoch anders machen – so anders, dass anders auch gleich­zei­tig bes­ser bedeu­tet. Was sie gelernt hat­ten war, es bes­ser zu wis­sen. Die­ses Bes­ser­wis­sen birgt die Gefahr im Umgang mit­ein­an­der immer wie­der Recht haben zu wol­len. Dabei wird leicht über­se­hen, dass es viel­leicht objek­tiv gar kein rich­tig und falsch gibt. Jeden­falls, wenn es um die Zukunft geht und man dabei die unter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven berück­sich­ti­gen soll­te – weil man es eben noch nicht genau wis­sen kann.

Zusätz­lich pla­gen den Men­schen, der da füh­ren soll, eige­ne Sor­gen und Ängs­te. Auch bei sich selbst hängt er viel­leicht noch in der Fra­ge­stel­lung: Was ist rich­tig, was ist falsch, was bringt auch mich wirk­lich vor­an? Das führt gele­gent­lich zu Her­umei­ern – mal in die eine, mal in die ande­re Rich­tung zu ten­die­ren; mal die Zügel schlei­fen zu las­sen, mal straff zu halten.

Je nach Bio­rhyth­mus und Wert des inter­nen Sor­gen-Ängs­te-Baro­me­ters ent­ste­hen Span­nun­gen und Druck. Wenn es ganz schlimm wird und der Druck ent­wei­chen muss, holt man das ulti­ma­ti­ve Kil­ler-Argu­ment aus dem Werk­zeug­kof­fer: Das letz­te Wort, die top-down-Ent­schei­dung, die Order di Muf­ti. Auch das macht ein­sam. Wer will schon mit so jeman­dem zusam­men­ar­bei­ten, ihm gar folgen?

Von Ursa­che und Wirkung

Es ist weit ver­brei­tet bei uns Men­schen, ande­re für eige­ne Pro­ble­me oder Stim­mun­gen ver­ant­wort­lich machen. Damit dele­giert man Ver­ant­wor­tung oder hält sich den Rücken frei: Ich möch­te frei sein von Ver­ant­wor­tung, Schuld und dro­hen­der Stra­fe. Doch jeder ist für sich selbst ver­ant­wort­lich – für die eige­ne Sicht auf sein Umfeld und die ande­ren. Frei von Ver­ant­wor­tung zu sein, schei­det sowie­so aus für die Füh­rung. Egal was geschieht, sie wird eh ver­ant­wort­lich gemacht wer­den. Spä­tes­tens juris­tisch wird der­je­ni­ge an den Kant­ha­ken genom­men, der im Impres­sum und Han­dels­re­gis­ter­ein­trag als Ver­ant­wort­li­cher steht.

Also kön­nen wir doch sofort mit dem ›die ande­ren sind schuld‹ auf­hö­ren – gera­de im Umfeld von Koope­ra­ti­on oder gar Kol­la­bo­ra­ti­on. Eine Füh­rung, die sich und ihre Auf­ga­be ernst nimmt, müss­te doch der Über­zeu­gung fol­gen: Ich bin die Ursa­che, dass es so ist, wie es gera­de ist – nicht die ande­ren. Denn ich bin der­je­ni­ge, der führt. Die­ses Über­zeu­gungs­kon­strukt berei­tet zunächst ein­mal ziem­li­ches Unwohl­sein. Doch nach und nach eröff­nen sich dadurch neue Mög­lich­kei­ten: Wenn ich die­sen jet­zi­gen Zustand erschaf­fen habe, schaf­fe ich auch einen ande­ren. Ich kann etwas bewe­gen, wenn ich füh­re – wenn ich füh­ren kann und will.

Vom Kön­nen und Wollen

Doch mit­un­ter ist viel­leicht gar nicht so klar, was ich will. Oder bes­ser gesagt, was ande­re genau von mir wol­len. Viel­leicht gibt es da Lücken in den Erwar­tungs­hal­tun­gen – Räu­me, die nicht defi­niert sind. Die­se Räu­me nennt man Gestal­tungs­spiel­räu­me. Wie wäre es denn dann damit, den frei gewor­de­nen Raum wirk­lich zu gestal­ten und aktiv mit den Mög­lich­kei­ten zu spielen?

Illustration einer liegenden, ausgebrannte GlühbirnenHier ein wei­te­res Gedan­ken­ex­pe­ri­ment, sich dem zu nähern, was Füh­ren 4.0 hei­ßen könn­te: Füh­ren ist nicht gleich Ent­schie­den. Ich glau­be es geht dar­um, etwas Neu­es zu gestal­ten im ziel­ge­rich­te­ten Mit­ein­an­der. Erlaubt ist, was funk­tio­niert und ein Kli­ma aus Wert­schät­zung, Ver­trau­en, Zuge­hö­rig­keit und Bewe­gung auf dem abge­steck­ten Kurs schafft. Wer jetzt ›eso­te­risch‹ denkt, gehe zurück zum Abschnitt Von Füh­rung und Per­sön­lich­keit oder ver­su­che, das Fol­gen­de zu verstehen!

Wenn Füh­ren nicht gleich Ent­schei­den bedeu­tet, was bedeu­tet es dann? Es geht aus mei­ner Sicht dar­um, auf die Aus­rich­tung zu ach­ten. Damit mei­ne ich weder Rah­men noch Zie­le. Ich mei­ne die gemein­sa­me Rich­tung oder gar Visi­on. Etwa den glück­li­chen Kun­den oder die bes­se­re Welt – neben dem gemein­sa­men oder per­sön­li­chen Erfolg. All dies gilt es, wie ein Holo­gramm in den Teams und der Orga­ni­sa­ti­on sicht­bar zu hal­ten und zu leben. Es geht dar­um klar zu haben: Was wol­len wir erschaf­fen – wer sind wir, wer wol­len wir sein und wie wol­len wir die Welt ver­än­dern? Das fällt in Start­ups offen­bar viel leichter.

Vom Füh­ren durch fragen

Dies bringt mich zu einer der wich­tigs­ten Füh­rungs­me­tho­den: immer wie­der Fra­gen zu stel­len. Einer mei­ner ers­ten Füh­rungs­leh­rer hat mir vor über drei­ßig Jah­ren den Satz implan­tiert: Wer fragt, der führt. Die­je­ni­gen, die zu berich­ten haben, ken­nen die­se Art von Füh­rung, wenn sie von der nächst­hö­he­ren Instanz befragt wer­den. Und auch die Schat­ten­sei­te, wie viel Druck Fra­gen aus­lö­sen kön­nen. Echt gute Fra­gen zu stel­len, ist eine Füh­rungs­auf­ga­be. Sowie die Ver­ant­wor­tung, vie­le neu­gie­ri­ge Fra­gen nicht zum Ver­hör wer­den zu las­sen. Auf die­se Wei­se zu füh­ren bedeu­tet gleich­zei­tig, sich auf die Zun­ge zu bei­ßen, wenn man Ant­wor­ten geben will. Da gilt es dem inne­ren Schwei­ne­hund zu ver­ge­gen­wär­ti­gen: Wenn du glaubst, dass du es allei­ne bes­ser kannst, dann mach es eben allei­ne. Doch dazu gehst du bes­ser in eine Umge­bung mit klas­si­scher Hierarchie.

Auch bei den Fra­gen geht es um Klar­heit: Ver­ste­hen alle unter der Fra­ge das glei­che? Erst dann kann es dar­an gehen, gemein­sam Ent­schei­dun­gen vor­zu­be­rei­ten. Die Füh­rung stellt die Fra­gen, steckt Rah­men und Gren­zen des Lösungs­rau­mes ab und lässt dann die Zügel los – übt höchs­tens wirk­li­ches Zuhö­ren (sie­he Von Füh­rung und Per­sön­lich­keit). Viel­leicht merkt die eine oder ande­re hier lesen­de Füh­rungs­per­son an die­ser Stel­le ein Zie­hen im Bauch. Ja, es gilt eini­ges los­zu­las­sen, das wir frü­her mit Füh­rung asso­zi­iert haben: Die Kon­trol­le des Pro­zes­ses und die Macht des Bes­ser­wis­sens. An die­ser Stel­le ergibt die neue Bezeich­nung Coach statt Chef tat­säch­lich einen Sinn.

Ich glau­be dar­an, dass es – neben vie­len ande­ren Metho­den und ope­ra­ti­ven Fähig­kei­ten – neue 4.0‑Soft-Skills braucht: Offe­ne Fra­gen stel­len, los­las­sen und zuhö­ren. Das funk­tio­niert mit einer soli­den selbst­be­wuss­ten Hal­tung, die aus Authen­ti­zi­tät, Klar­heit und Selbst­re­fle­xi­on gespeist wird.Schiff ankert vor Leuchtturm

Von der Zwick­müh­le und der Freiheit

Irgend­wie ist sind Füh­rungs­auf­ga­ben immer eine ordent­li­che Por­ti­on Her­aus­for­de­rung. Wenn alles von allei­ne lie­fe, bräuch­te man kei­ne Füh­rung. Gera­de in älte­ren Orga­ni­sa­tio­nen gerät man jedoch immer tie­fer in eine Zwick­müh­le, wenn jetzt wegen der Digi­ta­li­sie­rung die Arbeit neu orga­ni­siert wer­den soll und damit auch Führung.

Auf der einen Sei­te soll es koope­ra­ti­ver, kol­la­bo­ra­ti­ver, lea­ner und agi­ler zuge­hen. Der Laden soll für die Next Gene­ra­ti­on attrak­tiv sein. Auf der ande­ren Sei­te erwar­tet man Ergeb­nis­se. An den Quar­tals­zah­len jedoch sol­len mög­lichst nur Erfol­ge zu sehen sein. So gera­ten Men­schen in Füh­rungs­po­si­tio­nen rei­hen­wei­se tief in die Klem­me – sind sie doch mit so guten, koope­ra­ti­ven Vor­sät­zen angetreten.

Agil sein bedingt schnel­le Kon­troll­zy­klen und aus den Erkennt­nis­sen resul­tie­ren­de Ent­schei­dun­gen. Hier braucht es für Füh­ren­de einen sta­bi­len Gedulds­fa­den, um nicht zu schnell zurück in alte Ver­hal­tens­mus­ter zu fal­len. Ich ken­ne nur weni­ge Füh­rungs­men­schen, die mehr als ein Min­dest­maß an Lang­mut mitbringen.

Trikots und T-Shirts auf KleiderbügelnUnge­dul­di­ge erken­ne ich an ihren Fra­gen am Tele­fon, aus den Pro­jekt­grup­pen oder im Audi­to­ri­um: Sie kom­men mir daher mit Gegen­po­si­tio­nen, Ein­wän­den oder min­des­tens Beden­ken. Und das mit­un­ter bevor sie wirk­lich ver­stan­den haben, was ich ihnen ans Herz legen möch­te. Das wirkt auf mich gele­gent­lich so, als sag­ten sie im Unter­ti­tel: Ich sit­ze zwar hier, weil ich etwas Neu­es ler­nen will, doch mag ich nicht wirk­lich von mei­nen alten Gewohn­hei­ten und Denk­mus­tern las­sen. Sie wäh­nen sich selbst auf der rich­ti­gen Posi­ti­on und ich müs­se ihnen erst ein­mal bewei­sen, was das neue Ver­hal­ten brin­gen könn­te. Da spricht die klas­si­sche Füh­rung aus der Ver­gan­gen­heit und weder Neu­gier, noch ein für mög­lich halten.

Ich ver­ste­he, dass Neu­es auch Arg­wohn und Skep­sis her­vor­ru­fen kann – gar Sor­gen berei­tet. Doch wie wol­len wir etwas Zukunfts­fä­hi­ges eta­blie­ren, wenn wir (nur) das Alte als Maß der Din­ge neh­men? Oder, wie Albert Ein­stein es einst for­mu­lier­te: ›Die reins­te Form des Wahn­sinns ist es, alles beim Alten zu las­sen und gleich­zei­tig zu hof­fen, dass sich etwas ändert.‹

Von Ängs­ten und Sorgen

Bevor jetzt jemand sich sorgt, was er mit sei­nen antrai­nier­ten und lieb­ge­won­nen Fähig­kei­ten denn nun anfan­gen soll: Ich kann hier beru­hi­gen. Alle Skills wer­den wei­ter­hin gebraucht. Mei­ne Idee ist, ledig­lich die Ord­nung im Füh­rungs- und Ent­schei­dungs­pro­zess etwas zu ver­än­dern. Zum Bei­spiel erst nach der Krea­tiv-Pha­se und einem Team- oder Grup­pen­in­tel­li­genz-Stim­mungs­bild mit der Ana­ly­se zu begin­nen. Alles wird gebraucht – alles zu sei­ner Zeit.

Lenkrad und Cockpit eines AutosWas nicht mehr gebraucht wird sind die Metho­den und Eigen­schaf­ten, die nur dem eige­nen Selbst­wert­ge­fühl die­nen. Da gilt es, zuerst die Ver­ant­wor­tung für sich und sei­ne Macken zu über­neh­men. Sich immer wie­der selbst zu fra­gen, wozu ist dies oder jenes noch gut?

Wer mag oder es braucht, den macht Füh­rung ein­sam. Ent­we­der durch sein Ver­hal­ten oder sei­ne eige­ne Grund­hal­tung. Doch es geht auch anders, manch­mal sogar bes­ser: Mit­ein­an­der. Dazu braucht es mit­un­ter kaum mehr, als es für mög­lich zu hal­ten. So bleibt der Kopf des Fisches frisch und klar.

Was es noch als Erfolgs­fak­tor in Ihnen per­sön­lich dazu braucht, lesen Sie in einem der nächs­ten Bei­trä­ge hier.

In die­sem Sin­ne: Gutes Gelin­gen und
vie­len Dank für Mei­nun­gen, Kom­men­ta­re und Anre­gun­gen hier.
Tom Müller

Mehr zu Chan­cen & Risi­ken der Führung

Füh­rungs­qua­li­tät

Wie Grup­pen­in­tel­li­genz bei Ver­än­de­run­gen hilft

Feh­ler ver­mei­den, die Grup­pen­in­tel­li­genz verhindern

Wer nichts ver­pas­sen will, fol­ge hier:

Bild­nach­wei­se

  • Leucht­turm: Leucht­turm im Son­nen­un­ter­gang; Foto­graf: Johan­nes Ple­nio; pexels​.com …
  • Napo­le­on I: Gemäl­de von Fran­çois Gérard; Quel­le: The Met, met​mu​se​um​.org …
  • Frau am Note­book; Quel­le: uns​plash​.com …
  • Ruder­boot und –Team: Künst­ler j4p4n Quel­le: open​clip​art​.org …
  • Frau hält Mar­ker an White­board; Quel­le: uns​plash​.com …
  • Aus­ge­brann­te Glüh­bir­ne: Foto­graf Com­freak; Quel­le: pix​a​bay​.com …
  • Schiff und Leucht­turm: Foto­graf Three-shots; Quel­le: pix​a​bay​.com …
  • T‑Shirts auf Bügeln: Foto­graf Jes­hu John; Quel­le: desi​gner​spics​.com
  • Lenk­rad und Cock­pit: Foto­graf Jes­hu John; Quel­le: desi​gner​spics​.com …

Quel­len

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