Teil II – In drei Schritten zu Ideen, Kreativität und Entscheidungen
Die in Teil I dieses Beitrags beschriebenen Fehler und Empfehlungen decken sich mit meinen Erfahrungen in den letzten zehn Jahren. Viele Empfehlungen sind wichtiger Bestandteil von Kreativitätstechniken und bereits bestens dokumentiert. Ich denke, alle diese Empfehlungen kann man auf drei essenzielle Schritte reduzieren – sowohl für kreative Lösungen, effiziente Besprechungen und nachhaltige Entscheidungen.
In den letzten zehn Jahren habe ich mit Gruppen bis zu fünfzig Personen gearbeitet. In den Besprechungen, Seminaren, Workshops, Gruppen und Versammlungen ging es um viele hundert Themen, Probleme, Innovationen, Visionen und Einigkeit in den zu verfolgenden Ziele. Ich sorgte dort für wirksame Gruppenintelligenz in den Entscheidungsprozessen, indem ich den Ablauf in drei Phasen unterteilte, die ich strikt voneinander trenne:
Informationsphase
In dieser Phase geht es ausschließlich darum, Informationen zu teilen. Als erstes richte ich die Gruppe aus auf die Formulierung des gemeinsamen Ziels, die Ausrichtung der Besprechung.
Im Verlauf des Meetings geht es dann um Informationsaustausch. Hier verfallen Teilnehmende oft dem üblichen Reflex, sofort Lösungen präsentieren oder diskutieren zu wollen.
Die wichtigste Aufgabe hier ist, den Informationsaustausch zu unterstützen. Teilnehmende mögen Fragen stellen und Antworten hören. Wertungen in Form von Meinungsäußerungen unterbinde ich in dieser Phase.
Sollte hier das eigentliche Ziel infrage stehen, wird diese Phase unterbrochen und der Prozess beginnt noch einmal einen Schritt weiter vorne. Dann ist die Einigkeit im Ziel zu überprüfen und gegebenenfalls eine neue Zielformulierung notwendig.
Kreativphase
In dieser Phase geht es ausschließlich darum, Möglichkeiten zu sammeln – zur Frage: Wie kann das Ziel erreicht werden?
Ziel ist es, möglichst viele Ideen zu sammeln – ohne direkte Plausibilitätskontrolle. Diskussionen und Auseinandersetzungen werden auch in dieser Phase konsequent unterbunden. Im Zweifelsfall werden diese Sammlungen anonym, schriftlich durchgeführt. So, wie in einigen Kreativitätstechniken empfohlen.
Werden hier keine wirklich neuen Lösungen gefunden oder verfestigen sich hier Gegensätze, ist die Zusammensetzung der Gruppe zu überprüfen oder zu variieren.
Auswertungsphase
Anonym kann auch die Auswertungsphase erfolgen. Hier bietet sich eine Technik an, die Systemisches Konsensieren genannt wird. Dabei wird die Zustimmung zum jeweiligen Vorschlag gemessen, indem in der Bewertung die Bedenken, starke Bedenken oder gar Widerstände der Teilnehmenden als Widerstandspunkte abgefragt werden. Das Ergebnis ist eine Hitliste der Möglichkeiten, die die Gruppe für erfolgsversprechend hält.
Nun geht es ans die konkrete Umsetzung. Das heißt, jetzt werden Beschlüsse gefasst, Aufgaben verteilt und Verantwortung übernommen.
Ergibt sich hier kein eindeutiges Bild erfolgsversprechender Methoden, deutet dies auf die in Teil I dieses Beitrags beschriebenen Fehler und Fallen hin.
Gruppenintelligenz-Coaching und ‑Aufgaben
Ein Gruppenintelligenz-Coach ist der Hüter des Ablaufs während der Entscheidungsfindung einer Gruppe. In Besprechungen und der Organisation brauche ich Mandat und Vertrauen der Gruppe, auch den Alphatieren Grenzen aufzeigen zu können. Meine fachliche Herausforderung: Ich muss die oben beschriebenen Fallen erkennen – oder anderenfalls die Gruppe so weit sensibilisieren, selbst darauf zu achten.
Die Kür in meiner Funktion ist, mir ganz klar darüber zu sein, welche Rolle ich gerade im Prozess einnehme – wann ich die Intelligenz in der Gruppe im Fluss halte oder sie gar beeinflusse. Dabei folge ich der Erkenntnis von Götz W. Werner: ›Das Wasser fließt nämlich nicht rechts herum, weil der Wasserbauer dem Wasser sagt, dass es das soll, sondern weil der Wasserbauer das Umfeld so modelliert hat, dass es rechts herum fließen kann.‹
Meinungsforschung
Mich interessiert Ihre Meinung: Für wie effektiv halten Sie die Entscheidungsfindung in den Besprechungen Ihrer Organisation, in Ihrem Unternehmen?
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Vielen Dank für Ihre Meinung und Ihren Mut.
Tom Müller
Quellen
- >Swarm Intelligence: When Uncertainty Meets Conflict< von Larissa Conradt, Christian List & Timothy J. Roper.
- ›Die intelligente Gruppe‹ von Cass R. Sunstein & Reid Hastie, Harvard Business Manager 2/2015.
- ›Alle Macht für niemand‹ von Andreas Zeuch.
- ›Was ist Systemisches Konsensieren?< von Adela Mahling & Markus Castro.
Abbildungen
Stock Fotos
- Tauziehen: © Brian Jackson, via Fotolia.com
Eigene
- Online-Konsensierungs-Auswertung in einer kleinen Gruppe
- Konsensierungs-Tabelle eine Gruppe von 10 Personen