›Wenn wir dieses Mal nicht zu konkreten Ergebnissen kommen, steige ich aus‹. So stellte sich mir ein Geschäftsführer vor, der sich mit großen Erwartungen in ein Kooperationsnetzwerk begeben hatte. Drei Treffen und ein halbes Jahr später war er soweit, auszusteigen und aufzugeben. Die Unternehmergruppe war nicht vorwärts gekommen. In einem anderen Unternehmen sagte mir ein Abteilungsleiter: ›Ich habe dem Chef gesagt, dass ich an so genannten Strategie-Meetings nicht mehr teilnehme. Ich kann meine Arbeitszeit besser nutzen‹. Diese frustriert, verweigernde Haltung einer Führungsperson spiegelt ebenso die Frustration wider, die Meetings, Treffen und Besprechungen erzeugen können. Woran liegt das? Und, was hat das mit Gruppenintelligenz zu tun?
Die Wissenschaft und Besprechungskultur
In der Vergangenheit habe ich mich gelegentlich gefragt, ob es an mir als Moderator lag, wenn Teams, Gruppen, Netzwerke aus sich heraus nicht vorwärts kamen – wenn sie ›zum Jagen getragen werden müssen‹. Erst später erkannte ich, dass nicht ich die Ursache bin – eher alte Glaubenssätze, die da lauten: ›Team heißt: Toll, ein anderer macht’s‹. Oder: ›Wenn man nicht mehr weiter weiß, gründe man einen Arbeitskreis‹.
Studien belegen die kontinuierliche Qualität von Gruppenintelligenz, kollektiver Intelligenz, der Weisheit der Vielen. Die schier unglaubliche Nachricht: Gemischte Gruppen erbringen im Durchschnitt bessere Ergebnisse als Expertengruppen. Das heißt weniger, dass man keine Experten mehr bräuchte. Man sollte sie nur nicht alleine machen lassen. Die gute Nachricht: Es ist ganz leicht und macht mehr Spaß als klassische Meetings.
Was braucht es um Gruppenintelligenz zu aktivieren?
Die Zutatenliste zum Zaubertrank
Der Eintopf heißt nicht etwa wegen der Anzahl der Zutaten Eintopf. Sondern weil viele verschiedene Zutaten in einen Topf geworfen werden. Und genau darin liegt die Kochkunst, wenn es um Gruppen geht und die Aktivierung ihrer Intelligenz.
Sortenreine, homogene, Expertengruppen nähern sich einem Thema, einem Problem, einer Herausforderung oft in ähnlicher Weise. Sie schauen aus einer bestimmten Perspektive auf ein Thema, verhalten sich ähnlich, äußern sich ähnlich. Bis zu dem Punkt, wo es um Profilierung oder Reputation geht. Dann werden erbitterte Wortgefechte um Details geführt.
Dies gilt es zu vermeidet, durch gründliches Aufmischen und würzen mit neuen Zutaten. So titelte ›Bilder der Wissenschaft‹ bereits 2010: ›Frauen und viel Einfühlungsvermögen machen Teams leistungsfähiger‹. Die Zutatenliste könnte also lauten: ›Man nehme eine Frau‹. Oder eine speziell ausgebildete Person, etwa einen Mediator.
Sehr ergebnisreich empfand ich Kreise, in denen Altersgruppen bunt gewürfelt waren – wo Studenten und Auszubildende sich getraut haben, die sprichwörtlichen dummen Fragen zu stellen. So werden viele Dinge klarer, eindeutiger und simpel. Und das auch dann, wenn es um die Umsetzung geht.
Das Heilgewürz Kommunikationsregeln
Es bedingt etwas Umgebungshygiene, kollektive Intelligenz ans köcheln zu bekommen. Dies ist der große Unterschied zur allgemein bekannten Meeting-Kultur. Es bedarf eines hauptamtlichen Hygienebeauftragen, der über Qualität und Richtung der Gruppenkommunikation wacht. Diese verantwortungsvolle Aufgabe verlangt viel Konzentration und Kondition. Sie sollte deswegen von Personen übernommen werden, die frei von inhaltlichen Belangen sind – also außen vor.
Erste und wichtigste Regel ist, dass jeder gehört wird. Das kommt Ihnen jetzt vielleicht selbstverständlich vor. Doch achten Sie einmal in der nächsten Besprechung darauf, wie sehr und häufig durcheinander geredet oder gar unterbrochen wird. Die Aufgabe des Moderators ist, peinlich genau darauf zu achten, dass alles gehört werden kann – und wortlose Wortmeldungen zu bemerken.
Eine ebenso weit verbreitete Dynamik in Gesprächen ist das Bewerten dessen, was zuvor gesagt wurde – oder zu vergleichen. Dies erzeugt hinderliche Diskussionen, gar Koalitionen. Hier gilt es, eine gute Basis zu bewahren. Der kreative Zubereitungsprozess sollte in einer Kultur des Sowohl-als-auch wunderbar gelingen – statt in einer üblichen Entweder-oder-Diskussion zu verschmoren.
Eine weitere übliche Meeting-Zutat gilt es bei dieser Zubereitungsart konsequent zu eliminieren: Erklärungen. Jetzt werden sicher einige zucken. Ich höre Stimmen wie: ›Das muss ich doch erst mal erklären‹. Eben nicht! Wenn etwas erklärt werden muss, zeigt sich zusätzlicher Informationsbedarf oft von selbst. Oder aus dem Missverständnis erwächst die geniale neue Idee. Wichtig ist, dass so viel Neues wie möglich auf den Tisch kommt. Weniger, dass Gesagtes und wohlmöglich bereits Verstandenes wieder und wieder durchgerührt wird. Das unterbricht den Gärvorgang und macht den Sud schal.
Das neue Kochen
In fünf Jahren ›Nouvelle Cuisine‹ und dem value!circle-Rezept habe ich überdurchschnittlich gute Kritiken gesammelt. Sie honorieren die offene Haltung der Wertschätzung, die kommunikative Besprechungsästhetik und würdigen die nachhaltigen Ergebnisse. Ich brutzele munter weiter.