Wenn es anstrengend wird, hilft Gruppenintelligenz, den Teamgeist zu wecken.
Die Arbeit in der letzten Woche war anspruchsvoll und herausfordernd. Einer meiner Klienten ist in einem schrumpfenden Markt zuhause. Die Halbjahreszahlen sprachen ein deutliches Bild: Wenn es so weiter geht, droht die Insolvenz; knapp einhundert Arbeitsplätze sind gefährdet. Nun war sofort eine Kurswende einzuleiten – in allen Köpfen. Inhaber, Führung und Mitarbeitende vertrauten dabei der Weisheit der Vielen.
Gemeinsam mit mir rief die Geschäftsführung eine Gruppe von Mitarbeitern aus ganz unterschiedlichen Bereichen zu einem Arbeitstreffen zusammen, mit dem Ziel: Schnell greifende Maßnahmen entwickeln, die sofort im Unternehmen umgesetzt werden können – ohne zusätzliche Investitionen.
Der Start: Brandrede und Bitte
Der Tag startete mit eine schonungslosen Präsentation der Ergebnisse durch die Geschäftsführung. Mit dieser Nachricht verband sie die Bitte, an diesem Tag an Lösungen zu arbeiten. Die Unternehmensleitung war nicht Teil des Arbeitskreises, um frei von Vorbehalten und Ängsten arbeiten zu können. An Ende des Tages sie wieder hinzu, sich Empfehlungen der Runde abzuholen und notwendige Genehmigungen für die Umsetzung zu erteilen. Alle waren sich einig, dass der Kurswechsel am nächsten Tag beginnen würde.
Die Chance: Selbsteinschätzung und Potenzial
Erstaunlich empfand ich die Selbsteinschätzung der Runde zur Effektivität des Unternehmens und des Steigerungspotenzials. In einer anonymen Umfrage ermittelte ich die Einschätzung der möglichen Effizienzsteigerung. Sie betrug im Durchschnitt 23 Prozentpunkte. Dies weckte die Einsicht Vieler: Jeder hat es selbst in der Hand, seinen eigenen Arbeitsplatz zu sichern, indem er mitarbeitet. Es ging darum dieses Potenzial jetzt zu aktivieren. Und so drehte sich die Haltung in der Runde wie von selbst: Von Betroffenheit in Richtung Lösungsorientierung.
Die Route: Kreativität am Rande des Chaos und Struktur bei der Umsetzung
Gemeinsam in der großen Runde wurden Themen- und Handlungsfelder mit kurzfristigen Effekten gesammelt und nach Chancen geordnet. Wie so oft, lassen sich diese Themen in zwei große Gruppen unterteilen: Mehr Umsatz und geringere Kosten. Kleinere Arbeitsgruppen gingen nun daran, Lösungen zu erarbeiten.
Die Herausforderung für mich ist an solchen Tagen – gerade wenn es wirtschaftlich eng und zeitkritisch wird: Zum einen genug Raum für Diskussionen und Kreativität zu lassen, sodass wirklich neue Lösungen entstehen können. Zum anderen Struktur zu geben und zu unterstützen, dass die für die Umsetzung notwendigen Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Termine einstimmig vereinbart werden – sich im Protokoll verbindlich wiederfinden.
Der Doppelnutzen: Krisenbewältigung und Motivationssteigerung
Das bemerkenswerteste an diesem Tag: Die Stimmung der Mitarbeitenden und ihre Motivation stieg an – und das über einen wirklich sehr arbeitsreichen und anspruchsvollen Tag. Die Frage nach der persönlichen Befindlichkeit [als Zahlen wert 0 – 100] ergab am Morgen einen Durchschnittswert von 59 % in der Gruppe. Bis zum Abend kletterte dieser Wert auf 79 %!
Resümee
Ich denke, hier wirken verschiedene Faktoren zusammen, die diesen positiven Effekt herbeiführen. Die Führung hat sich mit Klarheit und der Bitte um Unterstützung den Tag eingeleitet. Sie hat den Anspruch losgelassen, es selbst besser zu können, die Lösung zu kennen. Dazu gehört Mut, Offenheit und Vertrauen in die Mitarbeitenden – in deren Kreativität und ihre Gruppenintelligenz. Darüber hinaus haben die Mitarbeitenden diese Aufgabe verantwortungsvoll angenommen, sich im Verlauf des Tages mehr dem Potenzial und den Chancen gewidmet als der Suche nach Schuldigen –zugleich achtsam miteinander und konzentriert auf das gemeinsame Ziel.
Ich freu mich über den Mut der Unternehmensleitung auch in kritischen Situationen, dem eigenen Team und mir zu vertrauen. Meine Aufgabe an einem solchen Tag ist, das volle Potenzial der Weisheit der Vielen zu aktivieren – sie zu ermächtigen, alles Hilfreiche zu erkennen, die Chancen gut und effektiv zu erkenne und umzusetzen.
Diese Arbeit tun zu können, die entsprechenden Fähigkeiten und Erfahrungen zu haben, macht mich dankbar. Ohne es geplant zu haben, bin ich zu einem Spezialisten für Veränderungsprozesse geworden – in der Branche, in der ich meine berufliche Karriere begann. Die theoretischen und universell gültigen Gesetzmäßigkeiten, wie diese Prozesse ablaufen, verdanke ich meiner Lehrerin Dr. Christina Kessler.
Bitte um Kommentare
Haben Sie Anmerkungen dazu oder Fragen?
Schreiben Sie diese gerne unten in das Kommentarfeld – oder schicken Sie mir eine Mail.
Vielen Dank.
Tom Müller
Auch wenn es kniffelig wird kann es Spaß machen.