Ängs­te ver­hin­dern kol­lek­ti­ve Intel­li­genz – Ver­trau­en fördert

Team im Flow
Team im Flow

Grup­pen­in­tel­li­genz ist die Fähig­keit mensch­li­cher Grup­pen, wie ein leben­des Sys­tem, ein Orga­nis­mus zu wir­ken. So kön­nen The­men ein­fa­cher, schnel­ler und nach­hal­ti­ger bear­bei­tet wer­den. Dies gilt ins­be­son­de­re, wenn es um kom­ple­xe Her­aus­for­de­run­gen in Unter­neh­men und Orga­ni­sa­tio­nen geht. Vor­aus­set­zung für die Wirk­sam­keit von Grup­pen­in­tel­li­genz ist eine essen­zi­el­le Zutat: die Bereit­schaft. Doch die­se wird bei Ver­ant­wort­li­chen und Betei­lig­ten oft von tief sit­zen­den Ursa­chen blockiert.

Kol­lek­ti­ve Intel­li­genz nen­ne ich Grup­pen­in­tel­li­genz, gren­ze sie ab von Schwarm­in­tel­li­genz. Die­se ist ein Schwarm­ver­hal­ten gleich­ar­ti­ger, aus­tausch­ba­rer Indi­vi­du­en. Grup­pen­in­tel­li­genz zeigt sich, wenn ver­schie­den­ar­ti­ge Indi­vi­du­en zusam­men kom­men. Dann ent­steht ein Effekt, den man aus Teams kennt: Flow. Die­ser ist in Stu­di­en doku­men­tiert. Etwa bei Rude­rern, die ihn beschrei­ben als ein Gefühl des Eins­seins – einen flie­ßen­den, schwe­ben­den, flie­gen­den Zustand.

Ich beob­ach­te die­sen Flow, wo Grup­pen­in­tel­li­genz zur Wirk­lich­keit wird. Dazu braucht es eine sorg­sa­me Vor­be­rei­tung und die Ent­lar­vung von Verhinderern.

Ein klas­si­scher Ver­hin­de­rer: Ängs­te. Sie tau­chen dann auf, wenn vor­han­de­ne Struk­tu­ren auf­ge­löst wer­den sol­len – und sei es auch nur für die­sen Moment der Zusam­men­ar­beit. Zum Bei­spiel, wenn für den Grup­pen­in­tel­li­genz-Pro­zess Hier­ar­chien auf­ge­ho­ben, Teil­neh­mer aller Ebe­nen, Nie­der­las­sun­gen oder Betriebs­tei­le ver­mischt wer­den sol­len. Oder wenn Exter­ne ein­be­zo­gen wer­den sol­len, wie Kun­den und Lieferanten.

Angst im Management

Grup­pen­in­tel­li­genz wird also nicht wir­ken, wenn das Manage­ment steu­ert, diri­giert, tak­tiert, beein­flusst und ver­sucht, in alten Struk­tu­ren wei­ter zu arbei­ten und zu denken.

Im All­tag erle­be ich, was Prof. Peter Kru­se im Inter­view mit DNA­di­gi­tal erläu­tert: ›Wenn Sie ein Netz­werk haben, tre­ten die Top-down-Beein­flus­sun­gen in den Hin­ter­grund. Man arbei­tet weni­ger über die Linie. Macht ist nicht mehr gekop­pelt an den Besitz von Infor­ma­ti­on. Dann muss man sich ein­las­sen auf unkon­trol­lier­te, ja sogar unkon­trol­lier­ba­re Dynamik.‹

Das heißt jedoch nicht, dass man die Füh­rung eines sol­chen Pro­zes­ses kom­plett auf­ge­ben müsste.

Ängs­te in der Belegschaft

Auch bei ande­ren Betei­lig­ten zei­gen sich Ängs­te, zum Teil noch sub­ti­ler. So beob­ach­te ich einen Effekt in strikt geführ­ten Orga­ni­sa­tio­nen: Die Bereit­schaft zur Betei­li­gung und der damit ver­bun­de­nen Über­nah­me von Ver­ant­wor­tung muss erst geweckt werden.

Ängs­te bei Mit­ar­bei­ten­den in klei­nen und mitt­le­ren Unter­neh­men erle­be ich gele­gent­lich als Miss­trau­en oder feind­se­li­ge Hal­tung mir gegen­über – dem schein­ba­ren ›Hand­lan­ger‹ der Füh­rung. In ande­ren Fäl­len schil­dern Mit­ar­bei­ter im per­sön­li­chen Gespräch ihre nega­ti­ven Erfah­run­gen, wenn sie ein­mal ihre Ver­ant­wor­tung über­nom­men haben.

Vor­ga­ben schaf­fen Sicherheit

Wich­tig ist, genü­gend Auf­wand in die Vor­be­rei­tun­gen zu ste­cken – dass man Rah­men­be­din­gun­gen klar macht sowie Vor­ga­ben und Beschrän­kun­gen benennt. So wird vor­ab deut­lich, wann Resul­ta­te eben nicht umge­setzt wer­den kön­nen. Etwa, wenn sie bestimm­te Para­me­ter nicht ein­hal­ten, Bud­gets über­schrit­ten oder Ent­schei­dun­gen nicht revi­diert wer­den kön­nen. Etwa wegen ver­trag­li­cher Verpflichtungen.

Zuge­ge­ben: Es ist ein schma­ler Grat zwi­schen Restrik­tio­nen, die den Grup­pen­in­tel­li­genz-Pro­zess abwür­gen auf der einen – und zu viel Frei­heit, die unrea­lis­ti­sche Ergeb­nis­se brin­gen, auf der ande­ren Seite.

Doch auch hier hilft Grup­pen­in­tel­li­genz, wenn sie für die Vor­be­rei­tun­gen genutzt wird. Ein hete­ro­ge­ner Kreis aus ein bis zwei Dut­zend Betei­lig­ten könn­te Auf­ga­ben­stel­lung und Rah­men­be­din­gun­gen for­mu­lie­ren, die dann die grö­ße­re Grup­pe bearbeitet.

So wird die Weis­heit der Vie­len aktiviert.

Ich beob­ach­te, dass Vor­ga­ben in den meis­ten Fäl­len akzep­tiert wer­den, wenn sie trans­pa­rent sind und erläu­tert wer­den. Soll­te sich hier­durch die anvi­sier­te Grup­pe zu sehr ein­ge­schränkt füh­len oder gar ver­wei­gern, sind die Vor­ga­ben neu zu dis­ku­tie­ren, Ursa­chen zu unter­su­chen und zu analysieren.

Auf der ande­ren Sei­te kann es gesche­hen, dass die Grup­pen­in­tel­li­genz über bestimm­te Gren­zen und Rah­men­bin­dun­gen hin­aus denkt und arbei­tet. Wenn die­ser Effekt trotz Erin­ne­rung der Mode­ra­ti­on immer wie­der ein­tritt, ist auch dies ein Signal. Unter Umstän­den müs­sen die Rah­men­be­din­gun­gen erneut über­prüft wer­den. Viel­leicht wur­den wich­ti­ge Optio­nen für gute Lösun­gen über­se­hen oder gar von vorn her­ein ausgeschlossen.

Bei­spiel ›Mit­glie­der­vo­tum der SPD zum Koalitionsvertrag‹

Als ein Bei­spiel kann das aktu­el­le Mit­glie­der­vo­tum der SPD die­nen. Die Basis stimmt zur Annah­me des Koali­ti­ons­ver­tra­ges ab. Die Rah­men­be­din­gun­gen sind von weni­gen vor­be­rei­tet wor­den, kön­nen von der gro­ßen Grup­pe der Basis nur noch bestä­tigt oder abge­lehnt wer­den. Die kol­lek­ti­ve Intel­li­genz ist auf eine Ja-Nein-Abstim­mung reduziert.

Jeder kann sich leicht vor­stel­len, was noch restrik­ti­ve­re Rah­men­be­din­gun­gen ver­ur­sa­chen wür­den. Etwa ein Veto­recht des Vor­stan­des. Dies könn­te zu einem Eklat füh­ren. Auf der ande­ren Sei­te hät­te eine Vor­be­rei­tung mit Grup­pen­in­tel­li­genz, frei von eta­blier­ten Struk­tu­ren der Par­tei vor­ab zu kla­ren Vor­ga­ben für die Unter­händ­ler füh­ren können.

Erfolgs­fak­to­ren für Gruppenintelligenz

Ent­schei­dend ist, wie man Auf­ga­ben, Details und Abläu­fe gestal­tet und for­mu­liert. Dies ist der wich­tigs­te Teil mei­ner Arbeit: Alle Betei­lig­ten bei Pla­nung und Inte­gra­ti­on von Grup­pen­in­tel­li­genz zu unter­stüt­zen. In die­ser Pha­se habe ich die Auf­ga­ben, Ver­hin­de­rer wie die beschrie­be­nen Ängs­te zu ent­de­cken und zu ver­wan­deln – auf der einen Sei­te in Ver­trau­en in den Ablauf, auf der ande­ren Sei­te in Selbst­ver­trau­en und Verantwortungsbereitschaft.

Video-Inter­view

Prof. Peter Kru­se zur Frage:
Kol­lek­ti­ve Intel­li­genz – was heißt das für Unternehmen?

Siche­re Kurz-URL die­ser Sei­te ➜ https://​griq​.de/​Z​q​7rY