Teil I – Was wir auch von Tieren lernen können
Es liegt wohl in unserer Natur, dass wir Gruppen mehr Erfolg zusprechen als Einzelgängern. Wer an Meetings denkt, dem kommen jetzt wohl leise Zweifel. Und doch belegt eine Studie, dass Meinungsverschiedenheiten zu besseren Ergebnissen führen. Ich glaube, das gilt nicht nur für die Erkenntnisse aus dem Tierreich.
Teams, Gruppen und Besprechungen haben aus meiner Sicht Vorteile: Sie treffen bessere und nachhaltigere, weil gemeinsam gefasste, Beschlüsse. Ein positiver Nebeneffekt dabei: Sie erfahren eine immer wiederkehrende Ausrichtung auf eine gemeinsames Ziel.
Gemeinsames Ziel ist Voraussetzung
Genau dieses gemeinsame Ziel ist eine erfolgsrelevante Voraussetzung für Entscheidungen – selbst wenn es über die Wege unterschiedliche Ansichten gibt. Genau dies belegt die Studie ›Swarm Intelligence: When Uncertainty Meets Conflict‹ aus dem Jahr 2013. Sie beschreibt, dass Unstimmigkeiten und kleinere Interessenskonflikte einander kompensieren – und gleichzeitig das Ergebnis verbessern. Voraussetzung seien Einigkeit und Ausrichtung auf ein gemeinsames Oberziel.
Fehler und Fallen bei Entscheidungen
Typische Fehler bei Entscheidungen in Gruppen beschreibt der Artikel ›Die intelligente Gruppe‹ von Cass R. Sunstein & Reid Hastie:
- ›Eine Gruppe versagt dabei, Irrtümer einzelner Mitglieder als solche zu identifizieren und zur Sprache zu bringen.‹
- ›Mitglieder orientieren sich an den Äußerungen und Handlungen derjenigen, die zuerst ihre Meinung geäußert oder etwas getan haben.‹
- ›Eine Gruppe hat einen derart polarisierenden Diskussionsstil, dass der gemeinsame Entscheidungsprozess zu noch extremeren Positionen der Einzelnen führt.‹
- ›Eine Gruppe kann sich nur auf Altbekanntes einigen. Wichtige Informationen, über die nur einige wenige Mitglieder verfügen, werden dadurch übersehen.‹
Vermutlich können Sie hier Beispiele aus Ihrem Alltag beitragen.
Sich selbst verstärkende Fehler in Gruppen
Darüber hinaus beschreiben die Autoren weitere, sich in der Gruppe noch verstärkende Effekte:
- ›Der so genannte Planungsfehler lässt uns unterschätzen, wie viel Zeit und Geld ein Projekt kosten wird. ‹
- ›Die Verfügbarkeitsheuristik verleitet uns dagegen dazu, uns auf diejenigen Dinge zu fokussieren, die uns zuerst in den Sinn kommen.‹
- ›Die Repräsentativitätsheuristik bestärkt uns in dem Glauben, dass Dinge, Ereignisse oder Menschen, die einander in einer Hinsicht ähnlich sind, sich auch in anderer Hinsicht ähneln müssen.‹
- ›Unser Hang zu Egozentrik sorgt dafür, dass uns unser Geschmack und unsere Präferenzen typischer erscheinen, als sie es tatsächlich sind.‹
- ›Der so genannte Sunk-Cost-Trugschluss verleitet uns dazu, weiterhin an einem hoffnungslosen Projekt festzuhalten, weil wir schon so viel hineininvestiert haben.‹
- ›Framing-Effekte: Unterschiedliche Formulierungen können bei eigentlich gleichen Inhalten maßgebliche Verhaltensänderungen provozieren.‹
Methoden und Ansätze zur Vermeidung dieser Fehler
Dr. Andreas Zeuch formuliert in seinem Buch ›Alle Macht für niemand‹ Aufgaben, die die oben aufgeführten Fehler verhindern sollen:
- ›Verbieten Sie dem Anführer erst mal den Mund.‹
- ›Bahnen Sie kritisches Denken an.‹
- ›Verteilen Sie spezifische Rollen.‹
- ›Berufen Sie einen Advocatus Diaboli.‹
- ›Sorgen Sie für anonyme Urteilsbildung.‹
Wollen Sie das einmal in der nächsten Besprechung probieren? Dann werden Sie vermutlich auf ein weiteres Problem treffen, das mir häufig in Meetings begegnet: Mir erscheint es sehr schwierig – fast aussichtslos – zwei Rollen auszufüllen: 1) Moderierend über Diskussion und Entscheidungsprozess zu wachen und 2) gegebenenfalls eigene Punkte einzubringen und zu vertreten.
Wie Sie Entscheidungsprozesse sicher strukturieren, erläutert Teil 2 dieses Artikels in der nächste Woche – hier …
Quellen
- >Swarm Intelligence: When Uncertainty Meets Conflict< von Larissa Conradt, Christian List & Timothy J. Roper.
- ›Die intelligente Gruppe‹ von Cass R. Sunstein & Reid Hastie, Harvard Business Manager 2/2015.
- ›Alle Macht für niemand‹ von Andreas Zeuch.
- ›Was ist Systemisches Konsensieren?< von Adela Mahling & Markus Castro.
Abbildungen
Stock Fotos
- Ameisenstraße: © Mehmet Karatay
Eigene
- Screenshot Harvard Business Manager
- Buchtitel Alle Macht für Niemand