Beharrungstendenzen im Unternehmen ausmerzen
Stellen Sie sich vor, Sie biegen mit dem Auto an einer Straße ab und bemerken – trotz fehlender Beschilderung – es ist eine Sackgasse. Sie kommen nicht mehr weiter und müssen umkehren. Würden Sie am nächsten Tag dort wieder abbiegen? Und wenn ja, wie oft würden Sie dieses Manöver wiederholen? Warum tun wir Menschen das jedoch im Alltag – und was könnte Abhilfe schaffen?
Die Kraft, die uns immer wieder in die alten Bahnen lenkt, zu alten Gewohnheiten zurückkehren lässt, nennt der Volksmund innerer Schweinehund. Dieses Fabeltier ist je nach Definition eine Willensschwäche (Wikipedia) oder gar die Feigheit und Trägheit gegenüber einem als richtig erkannten Tun (Duden). Eine derartige Eigenschaft sollte keine Führungskraft im Portfolio behalten.
Doch wie kommt man in Unternehmen aus dem Brackwasser der immerwährend gleichartigen Schwierigkeiten zu neuen Ufern – in die Mitte des Flusses und einen Flow aus Leichtigkeit und Erfolg? Wer das Gestrüpp am Ufer nicht loslässt, wird nie in die Mitte eines Stroms oder gar ans andere Ufer gelangen, behauptet eine archaische Weisheit. Es braucht also Mut. Der ist gar nicht leicht aufzubringen, wenn man Aufgaben soll, die einem nie gestellt wurden.
Alles bleibt anders
Das belastende Phänomen heißt VUCA. Dieses Synonym für den leibhaftigen Führungsdämon heißt: Alles bleibt anders, unsicher, komplex und obendrein ambivalent. Kollegin Dagmar Frank hat dieses Thema in ihrem Blogbeitrag [1] im EKDD-Blog ebenfalls aufgegriffen. Ihre Empfehlung dort: Vertikale Teamentwicklung als Element der Organisationsentwicklung. Mein Ansatz hier und heute: Führen mit Gruppenintelligenz. Ich werde nicht müde, die Weisheit der Vielen anzupreisen, wenn es um Veränderungen, Innovation, Unternehmensnachfolge oder auf zu neuen Ufern geht.
Wenn Sie immer die gleichen Gedanken denken, kommen Sie auch immer zu den gleichen Erkenntnissen. Wenn Sie immer die gleichen Werkzeuge anwenden, werden Sie auch immer die gleichen Ergebnisse erhalten. Wenn Sie immer die gleichen Experten fragen, werden Sie auch immer die gleichen Antworten erhalten. Oder hat Ihnen schon einmal einer Ihrer Lieferanten empfohlen, nicht zu kaufen oder gar das Produkt eines Wettbewerbers? Doch bleiben wir im eigenen Stall …
Neue Köpfe denken neue Ideen
Wie wäre es, wenn Sie einmal andere Menschen nach Ideen fragen – also wirklich andere, als die üblichen Verdächtigen? Wer jetzt schon Bedenken hat, lerne folgendes Mantra: Wer etwas will, findet Wege; wer etwas nicht will, findet Gründe (oder Ausreden).
Was hätten Sie zu verlieren. Ich verlange nicht von Ihnen, Ihre Führungsposition aufzugeben. Ich erwarte von einer Leader-Persönlichkeit, dass sie Fragen formuliert, zu der Antworten gebraucht werden, die das Unternehmen weiterbringen. Diese Antworten können als Stimmungs- und Meinungsbilder einholt und als Entscheidungsgrundlage verwendet werden. Machen Sie sich einmal den Spaß und stellen ein und dieselbe Aufgabenstellung a) den üblichen Vertrauten und b) einer ganz anderen Gruppe – etwa aus branchenfremden, studierenden oder ganz anderen Personen. Vielleicht Menschen, die Sie und Ihr Unternehmen gar nicht kennen.
Oder stellen Sie Frauen ein
Auch durch Neu- und Anders-Besetzung der Führungspositionen werden Sie andere, gar neue Ideen erhalten. Vielleicht liegt die Ursache für den Zustand der Branche ja darin begründet, dass alte weiße Männer eben ein bestimmtes Schema der Problembehand-lung bevorzugen. Schauen Sie sich um auf Ihren Branchentreffen: Wie viele Frauen finden Sie dort in Führungspositionen? Und dann schauen Sie sich einen IT- oder gar Startup-Kongress an – oder wenn Sie ganz tolerant sind, eine Fuck-up-Night.
Keine Sorge, ich will die Führungsetagen nicht entmannen. Doch ich erinnere daran, andere und unterschiedliche Menschen sowie deren vielschichtige Erfahrungshorizonte und Perspektiven für die schier übermächtigen Herausforderungen der Zukunft zu nutzen. Das heißt weniger, dass Sie ihren Chefsessel räumen müssten. Es sei denn, Sie haben das 80. Lebensjahr bereits vollendet.
Nutzen Sie die Weisheit der Vielen, um die Qualität ihrer Entscheidungen zu verbessern. Wenn Sie dazu keine neuen Stellen schaffen oder bestehende umbesetzen wollen, fragen Sie halt Außenstehende. Das geht auch anonym und wird mittels Online-Tool regelmäßig bei uns genutzt. Dass wir uns richtig verstehen: Ich rede nicht von klassischen Kunden- oder Marktumfragen. Ich meine: Sie schildern Ihr Problem mit allen Details; nennen die Rahmenbedingungen, in denen sich die Lösungsoptionen bewegen sollen – und testen eine andere Art der Entscheidungsfindung, vielleicht eine neue Entscheidungskultur.
Viel Spaß und Erfolg damit.
PS: Dieser Beitrag erschien zuerst im Blog der EKDD eG …
Verweise
Fotonachweis der Abbildungen
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- Steve Buissinne
- Yatheesh Gowda
- Gerd Altmann
- Carmen Carbonell