Kann man Moti­va­ti­on kaufen?

Oder Gren­zen der Par­ti­zi­pa­ti­on in Organisationen

Geschäftsmann hält ein Bündel Geldscheine in der Hand

Stel­len Sie sich vor, ein Hand­werks­un­ter­neh­men mitt­le­rer Grö­ße gerät wirt­schaft­lich in Schief­la­ge, weil es meh­re­re Kun­den ver­lo­ren hat. Die Insol­venz erscheint als Schre­ckens­ge­spenst am Hori­zont. Nun heißt es alles oder nichts für die Betei­lig­ten. Die gesam­te Beleg­schaft wird um Unter­stüt­zung gebe­ten, gemein­sam das Unter­neh­men zu ret­ten – und damit alle Arbeits­plät­ze. Die Füh­rung fragt, was Mit­ar­bei­ten­de brau­chen, um aktiv mit­zu­ma­chen. ›Mehr Lohn‹, heißt es als Ant­wort von Ein­zel­nen. Wie soll das funktionieren?

Der­ar­ti­ge Ant­wor­ten in Beleg­schafts­um­fra­gen las­sen mir aus unter­schied­li­chen Grün­den den Atem sto­cken: Zum einen könn­te es ein­leuch­ten, dass mehr Gehalt in wirt­schaft­lich dra­ma­ti­schen Zei­ten kei­ne Opti­on ist. Doch dar­über hin­aus stellt sich mir hier immer wie­der aufs Neue die Fra­ge, ob man Moti­va­ti­on und Mit­ar­beit tat­säch­lich mit mehr Geld erkau­fen kann.

Stu­di­en behaup­ten: Nein

Der Jour­na­list Jochen Lef­fers warn­te 2012 bereits bei Spie­gel Online[1]: ›Eine Gehalts­er­hö­hung neh­men Ange­stell­te immer gern. Aber dar­um arbei­ten sie noch lan­ge nicht bes­ser oder mehr – denn Moti­va­ti­on ist nicht käuf­lich, wie eine neue Stu­die zeigt.‹

Die Stu­die ›Mit­ar­bei­ter sind käuf­lich, ihre Moti­va­ti­on nicht‹[2] lei­tet ein Bild ab aus nega­ti­ven Moti­va­ti­ons­fak­to­ren: Die befrag­ten Per­so­nen gaben an, was sie am ehes­ten zur Kün­di­gung bewe­gen würde:

  • 86 %: Schlech­tes Arbeitsklima;
  • 80 %: Job, der mir kei­nen Spaß macht;
  • 71 %: Schlech­te Füh­rungs­kraft, die mich nicht fördert/​schlecht behandelt;
  • 60 %: Zu nied­ri­ges Gehalt.

Diagramm Bedürfnisebenen, Quelle: Wikimedia, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:ERG-Theorie.svgDar­in spie­gelt sich wider, was die Wis­sen­schaft glaubt. Aus Maslows Bedürf­nis­hier­ar­chie[3] hat­te Clay­ton Alder­fer die ERG-Theo­rie im Hin­blick auf die Bedürf­nis­se von Mit­ar­bei­tern im Unter­neh­men entwickelt.

Sim­pel zusam­men­ge­fasst: Erst die exis­ten­zi­el­len, dann die Beziehungs‑, dann die Wachs­tums­be­dürf­nis­se. Wer hät­te das gedacht? Wich­tig ist zu beach­ten bei die­ser Theo­rie, dass zu den Exis­tenz­be­dürf­nis­sen ›phy­sio­lo­gi­sche, finan­zi­el­le als auch nicht­fi­nan­zi­el­le Be- und Ent­loh­nun­gen, sowie Arbeits­be­din­gun­gen‹ zäh­len. Finan­zi­el­le Aspek­te spie­len auch auf der exis­ten­zi­el­len Ebe­ne eine Rol­le. Genügt der Lohn nicht, um indi­vi­du­ell als exis­ten­zi­ell erach­te­te Bedürf­nis­se zu befrie­di­gen, besteht ein Man­gel auf der unters­ten Ebene.

Money, money, money

Das Salär muss also exis­ten­zi­el­le Bedürf­nis­se sicher­stel­len. Ver­mut­lich leuch­tet jedem sofort ein, dass sich die­se Vor­stel­lun­gen exis­ten­zi­el­ler Bedürf­nis­se stark unter­schei­den – ob man nun Min­dest­lohn­emp­fän­ge­rin ist, eine Beam­tin oder gar Vorstandsvorsitzende.

Die Lebens­si­tua­ti­on ent­schei­det wohl dar­über, ob die ent­spre­chen­de Per­son sich durch Ein­kom­mens­ein­bu­ßen in ihrer Kom­fort-/Lu­xus­zo­ne, in ihrem Sta­tus bei Freun­den und Nach­barn oder exis­ten­zi­ell gefähr­det sieht. Dar­auf hat das Unter­neh­men nur begrenz­ten Einfluss.

Moti­va­ti­ons­fak­to­ren

Grafik mit dynamischer Darstellung der Bedürfnishierarchie nach Maslow; Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Maslowsche_Bed%C3%BCrfnishierarchieViel­leicht soll­te die ers­te Fra­ge lau­ten: Wer ist über­haupt moti­vier­bar? Dabei hilft eben­falls ein Blick auf wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis­se. Hier eine Gegen­über­stel­lung der Bedürf­nis­in­ten­si­tät und Persönlichkeitsentwicklung.

Aus der Gra­fik abge­lei­tet inter­pre­tie­re ich unwis­sen­schaft­lich und ver­kürzt: Bedürf­nis­in­ten­si­tät und Selbst­ver­wirk­li­chung gehen Hand in Hand. Für den Begriff Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung gibt es aller­dings kei­ne Theo­rie, die die viel­fäl­ti­gen Ein­flüs­se zusam­men­fas­sen kann.

Selbst-Bewusst­sein

Umge­kehrt auf­ge­zäumt: Ich habe den Ein­druck, die Moti­va­ti­ons­lust fehlt sowohl, wenn exis­ten­zi­el­le und Sicher­heits­be­dürf­nis­se nicht befrie­digt sind – als auch, wenn man mit der indi­vi­du­el­len Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung am Ende sei­ner Mög­lich­kei­ten oder Vor­stel­lun­gen ange­langt ist.

Anders gesagt: Selbst­be­wusst­sein hilft ver­mut­lich, sich aktiv gestal­tend und auch kämp­fe­risch ein­zu­brin­gen, wenn es um eine Sache geht. Sich sei­ner selbst wenig bewusst zu sein, könn­te also ein Hin­de­rungs­grund sein, sich einzubringen.

Ange­bot zur Partizipation

Viele Hände, die mit dem Finger auf Karten zeigenWie schafft man es denn dann, Mit­ar­bei­ten­de zu moti­vie­ren? Ein­leuch­tend ist: Einem gut gesät­tig­ten Men­schen wird man frei­stel­len, ob er noch einen Nach­schlag oder das süßen Des­sert annimmt. Ähn­lich sehe ich es beim Ange­bot, zu par­ti­zi­pie­ren. Die Moti­va­ti­on hängt aus mei­ner Sicht zusam­men mit der Kom­bi­na­ti­on aus dem Grad der Bedürf­nis­be­frie­di­gung, dem Selbst­be­wusst­sein und der dar­aus resul­tie­ren­den Selbst­er­mäch­ti­gung, mitzugestalten.

Die eigent­li­che Moti­va­ti­on kommt von innen, bei jedem Ein­zel­nen auf unter­schied­lichs­te Art. Sie resul­tiert bei güns­ti­gen Vor­aus­set­zun­gen dann im Wesent­li­chen aus der Bezie­hung zwi­schen Ein­la­den­den und Ein­ge­la­de­nen. Hier soll­te das Ver­trau­en vor­han­den sein, man meint es ehr­lich mit­ein­an­der, man ver­folgt das glei­che Ziel und es gibt kei­ne ver­steck­te Agenda.

Die­se Rah­men­be­din­gun­gen spie­geln die Hygie­ne­fak­to­ren wider, dass Grup­pen­in­tel­li­genz ent­ste­hen kann – dass ein Unter­neh­mens-Sys­tem wie­der in Schwung, gar in den Flow kom­men kann.

Fazit

Es wird mei­ner Erfah­rung nach auch bei bes­ten Bedin­gun­gen nicht gelin­gen, alle zu moti­vie­ren – oder wie ein­lei­tend beschrie­ben, zu einer akti­ven Mit­ar­beit zu bewe­gen. Also bleibt es dabei, die­je­ni­gen zu gewin­nen, die mit­ma­chen und mit­ge­stal­ten wol­len. Deren Hier­ar­chie­ebe­ne ist dabei ver­mut­lich weni­ger Erfolgs­ga­rant als deren Selbst­ver­ständ­nis und das Ver­trau­en zueinander.

Die­je­ni­gen, die sich ein­brin­gen, sind also die­je­ni­gen, die wol­len. Bei die­sen frei­wil­lig Teil­neh­men­den haben alle Betei­lig­ten die Ver­ant­wor­tung zu tra­gen für Ver­trau­en und Wert­schät­zung. Wenn es hier noch Stol­per­stei­ne gibt, stö­ren sie den Pro­zess. Wenn jedoch alles gut läuft, ver­brei­tet sich auf die­se Wei­se ein Hauch von Opti­mis­mus wie von selbst – und dar­über hin­aus auch hier und da etwas mehr Moti­va­ti­on bei anderen.

In die­sem Sin­ne: Gutes Gelingen
Portrait Tom Müller ~ Gruppenintelligenz-Coach ~ Düsseldorf
Tom Müller

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