Oder warum es mehr braucht, als Steuerberater, Banker und Notar.
Ich habe gesehen, wie es nicht geht. Der Gründer und Inhaber eines etablierten Unternehmens konnte nicht wirklich loslassen. Seine drei Kinder waren sich ausnahmsweise einig und hatten einen gemeinsamen Plan – voller Ehrgeiz, Zukunftsfähigkeit, Ideen und Zuversicht. Und dennoch ließ der Senior nicht los. Knapp drei Jahre nach dem Ende meines Mandats ging das Unternehmen in die Insolvenz – das riesige Firmengelände in einer Deutschen Metropole an die Bank. Die Belegschaft stand auf der Straße.
Ich habe mich lange gefragt: Woran hat es gelegen, dass der Unternehmer nicht loslassen konnte? Ich bin überzeugt, es waren eher persönliche, emotionale Gründe. Vielleicht spielte auch die Scham des Seniors eine Rolle, was Fehlentscheidungen und Verbindlichkeiten anging.
Nicht nur an diesem Beispiel wurde mir klar, dass es für eine gelingende Unternehmensnachfolge mehr braucht als Marketing- und Businesspläne, Verkaufs- und Notarverträge oder die Einigung über Kaufpreise und Verrentung. Die Hamburger Kollegin Katrin Kuhls schreibt mir aus der Seele in ihrem Blogbeitrag beim Internationaler Controller Verein e. V. Unter der Überschrift ›Unternehmensnachfolge – wie kann sie auch emotional gelingen?‹ beginnt auch sie beim Unternehmenseigner und seinen Emotionen. Auch ich möchte ich mich dem Thema anders nähern: Menschlich, unternehmerisch, wirtschaftlich.
Unterschiedliche Motivationsfaktoren konkurrieren
Die Gründe für einen Unternehmensübergang sind vielfältig. Doch unterm Strich ist und bleibt es das Eine: Ein aktives Berufsleben neigt sich dem Ende. Gesegnet sind diejenigen, die an dieser Schwelle leichten Herzens und mit einem Lächeln auf dem Gesicht loslassen und in den Ruhestand springen können. Das fällt dem ein oder anderen Angestellten schwer.
Auf der anderen Seite steht die nächste Generation – ungeduldig, voller Ideen und auch mit der einen oder anderen Portion Sorge ganz hinten im Hinterkopf. Doch davon lässt sich die Jugend kaum aufhalten. Sie wollen ans Ruder, es oft genug anders machen – sich und der Welt beweisen, was sie drauf haben.
Familiengeschichten und Unternehmenszweck
Bei Familiennachfolgern steckt oft genug auch der Wunsch dahinter, es den Alten und allen anderen endlich zu beweisen, was in ihnen steckt. Dass es hier zu emotionalen Schieflagen, wegen kleinster Kleinigkeiten kommen kann, ist vorhersagbar. Kollegin Kuhls beschreibt Beispiele in ihrem Blogbeitrag.
Hier gilt es anders vorzugehen, als es alte Weggefährten, wie Steuerberater, Banker oder Notar angehen würden. Hinter verschlossenen Türen arbeite ich erst einmal mit den Senioren. Sie werden sich wirklich oft zum ersten Mal bewusst, was sie brauchen für die Zeit nach dem Ausscheiden. Hier geht es nicht um eine Kaufsumme. Oft steckt in Details oder unteren Schubladen noch viel mehr Überlegenswertes.
Gerade in Familienbetrieben höre ich hier gerne Überraschendes, was den Menschen wichtig ist. Die einen wollen ihr Unternehmen ihren eigenen Kindern gar nicht überlassen. Das meist weniger aus Egoismus, mehr aus Fürsorge. Sie wollen ihnen den aufreibenden Kampf ums Überleben ersparen – oder die versteckten Altlasten.
Nachfolgerkompetenz und Verantwortungsgefühl
Mitunter steht an diesem Punkt zum ersten Mal die Frage im Raum, wer überhaupt nachfolgen könnte – an wen überhaupt verkauft werden kann oder sollte? Verwandte oder Angehörige, fremde Investoren, Wettbewerber, Marktbegleiter oder gar die Belegschaft? Wenn klar ist, was dem scheidenden Unternehmenseigner wichtig ist, lässt sich auch diese Frage besser beantworten.
Die Motivationsfaktoren sind dort ganz unterschiedlich: Die einen wollen wirklich nur eine akzeptable Kaufsumme oder Abfindung und dann die Tür schließen. Andere drücken Verantwortungsgefühl oder gar Sorge, wenn es um die Arbeitsplätze der Belegschaft geht. Wiederum andere müssen und wollen unbedingt aus Bürgschaften entlassen werden, damit das Damoklesschwert über dem eigenen Haus und Grund verschwindet. Mitunter geht es um zukünftige Vertragsdetails, wie die Vermietung von Betriebsimmobilien oder einfach die monatliche Rente.
All dies sind Details, die auf der Juniorseite noch gar nicht ins Bewusstsein gedrungen sind. In vielen Fällen arbeiten die Nachfolger in spe schon im Betrieb und glauben, alles läuft doch gut und würde noch besser weiterlaufen – wenn sie nur endlich schalten und walten könnten. Die große Überraschung oder Ernüchterung tritt oft dann ein, wenn zum ersten Mal eine Kaufsumme genannt wird. Ich habe Gesichter gesehen, die alles an Farbe verloren. Doch damit nicht genug.
Überraschungen und Stolpersteine
Selbst wenn man sich über Kaufpreis und Konditionen einig ist, gibt es eine weitere drastische Hürde. Das ist der Moment, wo klar wird, dass der Kaufpreis gar nicht aufgebracht werden kann – oder nur unter widrigsten Umständen. Auch das sind ernüchternde Momente. Da muss das eigene Heim beliehen werden. Man geht mit allem, was man hat, ins Risiko. Oft genug treten hier die Ehepartner erstmalig mit in den Verkaufsprozess ein.
Zu diesem Zeitpunkt kann der angehende Übernahmeprozess eine emotionale Achterbahnfahrt werden – für alle Beteiligten. Es leuchtet ein, dass hier weder Steuerberater noch andere betriebswirtschaftliche Berater kaum etwas beitragen können. Im Gegenteil: Oft werden langjährige Berater von den potenziell Nachfolgenden eher als parteiisch wahrgenommen – was sie ja auch sind. Sie werden nicht nur von den bisherigen Eigentümern honoriert. Sie sind ihnen auch durch die gemeinsame Historie verpflichtet. Hier braucht es jemanden, der von beiden Parteien akzeptiert wird.
Fazit und Ausblick
Es braucht es mehr Kompetenz als nur wirtschaftliche und rechtliche. Es geht in der Regel um mehr als Geld und Zinsen – um mehr als nur den Stab aus der Hand geben. Auch über den Kreis der Vorgänger und Nachfolger hinaus kann es sinnvoll sein, andere mit einzubinden. Wie all dies effektiv und zielführend gelingen kann, erfahren Sie in der Fortsetzung.
In diesem Sinne: Gutes Gelingen und
vielen Dank für Meinungen, Kommentare und Anregungen hier.
Tom Müller