Antworten finden auf bisher nie gestellte Fragen
„Ohne unsere Zusammenarbeit hätten wir die Covid-Krise nicht bewältigt“, sagte mir der Geschäftsführer eines großen Logistikunternehmens Ende 2021. Die steigende Krisenfrequenz macht es erforderlich, Antworten auf Fragen zu finden, die vorher nie gestellt wurden. Ähnliche Herausforderungen begleiten den Mittelstand seit Beginn der Digitalisierung. Doch wie kann dieser die Zukunft vorhersagen?
Bis zur Französischen Revolution folgte die Welt im alten Europa noch klaren Strukturen. Man wusste, wer das Sagen hatte, Welt und Gesellschaft waren wohlgeordnet – in handwerkliche Zünfte oder religiöse Kasten. Eine solche Ordnung wackelt naturgemäß, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern. Gleiches gilt heute, da seit nunmehr bald 30 Jahren auch die Wirtschaft im Zuge einer fortschreitenden Digitalisierung umgekrempelt wird.
Früher war sogar die Zukunft besser
Die Unternehmensnachfolge im Handwerk war noch im letzten Jahrhundert durch die Erbfolge geprägt. Wer in der Gesellschaft aufsteigen wollte, hatte einen Weg vor sich. Erst verloren die Zünfte ihre Macht. Dann wurde die Europäische Gemeinschaft immer freizügiger. Schlussendlich landeten wir in einer globalisierten, eng vernetzten Welt. Als Auswirkung wackeln nun alle ehemaligen Fundamente. Die disruptiven Auswirkungen lassen in der Wirtschaft kaum einen Stein auf dem anderen. Alte Methoden und Abläufe digital abzubilden, ist da höchstens die halbe Miete.
Wissen ist Macht – macht’s jedoch nicht immer besser
Die Zukunft lässt sich immer unzuverlässig vorhersagen. Ein Gespenst namens VUCA schleicht umher:
- Volatility: Volatilität (Unbeständigkeit)
- Uncertainty: Unsicherheit
- Complexity: Komplexität
- Ambiguity: Ambiguität (Mehrdeutigkeit)
Vormals übertrumpften Wissende die Unwissenden. Die Erfahrenen hatten die Nase vorn. In den ersten zwei Jahrzehnten des Internets wurden die Langsamen von den Schnellen übertrumpft. Heute zeigt sich eine neue Kombination, die Vorsprung verspricht: über den Tellerrand blickende Kreativität, gepaart mit gutem Kontakt zu Kunden und Markt. Alles scheint möglich – und sein Gegenteil.
„Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“ (Albert Einstein)
Um mit Service und/oder Produkten ökonomisch zu punkten, bedarf es hoher Umsetzungsgeschwindigkeit und kleiner Schritte, den eingeschlagenen Kurs in kurzen Abständen zu kontrollieren. Dies bedingt, häufig neu zu entscheiden, in welche Richtung es weitergehen soll.
Kreativ bleiben sowie schnell und sicher entscheiden, sind die notwendigen Kernkompetenzen. Genau darin steckt die Chance des Mittelstandes für die Zukunft. Es ist das Gegenteil der ehemaligen Geschäftsgrundlage nach dem Prinzip „das haben wir immer schon so gemacht“.
Viele sind weiser als wenige
Zukunft zu planen, heißt anzuerkennen: Es wird nicht nur eine Zukunft geben – und keine einfachen Antworten. Es gilt, in Möglichkeiten zu denken und unterschiedlichen Zukunfts-Szenarien. An diese Aufgabe geht man in Konzernen mit professioneller Begleitung heran und in großen Projekten. Im Mittelstand sollte diese Herkulesaufgabe schlanker bewältigt werden – und dennoch sicher.
Die Weisheit der Vielen
Gruppenintelligenz geht über Schwarmintelligenz hinaus. Hunderttausend Sardinen sind immer noch Sardinen. Und wenn die Belegschaft einer Schlosserei die zukünftige Welt vorhersagt, wird diese wahrscheinlich aus Metall bestehen.
Die Weisheit der Vielen lebt von den vielen unterschiedlichen Menschen und deren verschiedenen, mitunter gegensätzlichen Facetten und Perspektiven. Dazu zählen Fachwissen, Bedarfe, Erfahrungen, Kenntnisse aus beruflichen, aber gleichermaßen aus persönlichen Bereichen wie dem kulturellen Hintergrund, der Herkunft, Hobbys und, und, und. Diese sehr unterschiedlichen Zutaten ergeben einen bunt gemischten Ideen-Eintopf, aus dem Antworten zu Problemlösungen ebenso entstehen wie zur Produkt‑, Innovations- oder Strategie-Entwicklung. Die Fülle dieser Zutaten repräsentiert die Chancen: je mehr, umso besser.
Fragen fragen – die neue Führungskompetenz
Die Weisheit der Vielen lebt von den vielen unterschiedlichen Menschen und deren verschiedenen, mitunter gegensätzlichen Facetten und Perspektiven. Diese Unterschiede und den daraus resultierenden Perspektivwechsel gilt es zu nutzen. Denn daraus können Problemlösungen ebenso abgeleitet werden wie Produkt‑, Innovations- oder Strategie-Entwicklungen. Doch dazu müssen die richtigen Fragen gestellt werden!
Die Fülle der unterschiedlichen Einflüsse innerhalb einer Gruppe von Menschen repräsentiert die Chancen, die sich daraus ableiten lassen. Einfach gesagt: je mehr, umso besser. Doch entscheidend ist die tatsächliche Aufgabe und damit die Ausrichtung, die zu einer Ideensammlung führt. Die richtige Frage bestimmt die Denkrichtung und die Ausbeute. Ein paar typische Beispiele:
- Wie reduzieren wir Personal im Marketing?
- Wie reduzieren wir die Personalkosten?
- Wie reduzieren wir die Kosten?
- Wie verbessern wir die Gewinnsituation?
- Wie können wir die Margen erhöhen?
- Wie können wir die Umsätze steigern?
Oder für die strategische Ausrichtung:
- Welche Produkte werden in fünf Jahren noch relevant sein?
- Wie überleben wir die nächsten fünf Jahre?
- Welches Produkt wird die Cashcow in fünf Jahren sein?
Die Art der Frage entscheidet über die Art der Antworten sowie die Richtung, in die gedacht wird. Ich halte die Fähigkeit, die richtigen Fragen zu stellen, für eine der wesentlichen, zukünftig wichtigen Führungskompetenzen.
Das Meinungsbild als Entscheidungslandkarte
Eine Komponente des Mittelstands-Orakels ist es, Gruppenintelligenz zu nutzen, die zweite Komponente ist eine richtungsweisend formulierte Frage. Möglichst offen, mit einer guten Balance aus Begrenzung und Freiraum. Das Ergebnis? Eine kreative Sammlung an Ideen, Optionen, Vorstellungen, den darin enthaltenen Markt- und Produkt-Chancen und nicht zuletzt mehrere mögliche Szenarien für die Zukunft.
So hat ein 28-köpfiges Ingenieurs-Team aus zwei rivalisierenden Disziplinen in einem Meeting 33 Ideen und Optionen gesammelt, die für eine Produktinnovation erfolgsentscheidend werden sollten. Eine Hälfte dieser Gruppe entstammte dem Bereich Verbrennungsantriebe, die andere Hälfte dem elektrischen Pendant. Leicht kann man sich die kreativitätstötenden Risiken einer offenen Diskussion in dieser Runde vorstellen.
Statt zu diskutieren, wurden zunächst einmal alle gesammelten Ideen taxiert. Jede Person bewertete jede Option für sich, mit Einwands-/Widerstandswerten von null bis zehn Punkten – vom OK über leichte und mittlere Einwände bis hin zu schwerwiegenden Vorbehalten. Das Ergebnis einer solchen Bewertung ist ein Meinungsbild.
Die oben dargestellte Tabelle 1 ist ein solches Meinungsbild aus einem anderen Bereich, genauer gesagt einer Vereinssitzung. Dort hatten 24 Teilnehmende 26 Ideen zur Gewinnung weiterer Mitglieder gesammelt und bewertet.
Der doppelte Nutzen eines solchen Meinungsbildes: Zum einen beschreibt es mögliche Chancen, Effekte und Strategien für die Zukunft – mittels der Weisheit vieler. Zum anderen zeigt es auf, worüber es sich zu diskutieren lohnt.
Das Mittelstands-Orakel
Diese Vorgehensweise ist die erschwingliche Variante, die Zukunft vorherzusagen und Reaktionsmöglichkeiten auf Herausforderungen zu finden. Solide vorbereitete Umfragen haben enormes Potenzial, wenn mehr als die üblichen Verdächtigen gefragt werden – etwa Stakeholder jenseits der bisherigen Unternehmensgrenzen.
Derartig erzeugte Meinungsbilder sind Landkarten für die Zukunft und die zu treffenden Entscheidungen. Der Weg dorthin ist nicht nur kurz und günstig – die Ergebnisse sind und näher an der eigenen Realität.
Ganz praktisch – mitmachen und Erkenntnisse gewinnen
Sicher würde der Eine oder die Andere jetzt gerne eine Frage an das Mittelstands-Orakel stellen. Genau das können Sie jetzt hier – ganz anonym und ohne weitere Verpflichtungen.
Aus den hier gestellten Fragen werden öffentliche Umfragen, die die Weisheit der Vielen zur Beantwortung nutzbar macht.
Seien Sie gespannt!
Autor
Dieser Beitrag
… erschien zuerst im Druckblog des EKDD – Einkaufskontor Deutscher Druckereien eG, im Februar 2023.