Wenn wir andere verstehen wollen würden
›Zuhören in diesem tiefen Sinne ist ein Geschenk‹, sagt Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen im Interview (1) – und meint damit die nicht egozentrische Form des Zuhörens. In der sehr aktiven Form der Zuwendung liegt auch der Keim für ein Erfolgsrezept, wenn es um effektive Besprechungen und Versammlungen geht.
Er sollte es wissen. Professor Prof. Dr. Bernhard Pörksen lehrt am Fachbereich Philosophie-Rhetorik-Medien am Institut für Medienwissenschaft der Eberhard Karls Universität in Tübingen.
Zwei Arten des Zuhörens
Die Art des Zuhörens unterscheidet er in zwei verschiedene Varianten: dem Ich-Ohr-Modus, der egozentrischen Variante und seinem Gegenteil, dem Du-Ohr-Modus. Im Deutschlandfunk Kultur spricht er von ›Wachstumsschmerzen der Medien- und Kommunikationsevolution‹ und verortet uns ›in einer Phase der mentalen Pubertät‹ durch und beim Umgang mit den Neuen Medien.
Ich sehe diesen Effekt hinein schwappen in alle Arten von Meinungsaustausch, wie in Besprechungen und Versammlungen. Er ist für mich die Ursache für die Schwierigkeit, in Meetings ohne Beziehungsstörungen zügig zu Ergebnissen und gemeinsam zu tragfähigen Entscheidungen zu kommen.
Echtes Zuhören ist Platin
Coach Jürgen Willmann spricht in seinem Buch Erwachsenes Zuhören (2) vom ›normalen neurotischen Zuhören‹ – beschreibt es als das unbedingte Zu-Wort-kommen-Wollen, das Ich-ich-ich. Vielen kennen den daraus resultierenden Ping-Pong-Effekt in Diskussionen, wo viele gleichzeitig reden, jedoch niemand zuhört. Beim erwachsenen Zuhören, so Willmann, folgt man der Absicht, andere verstehen zu wollen. Was sonst könnte der Sinn von Zuhören sein?
Verstehen wollen bedeutet, sich dem anderen Menschen zu widmen – zu Gast zu sein in seiner Gedankenwelt, mit ihm dort Zeit zu verbringen. Ich habe ebenso wie Pörksen den Eindruck, es mit so etwas wie einer pubertierenden, fast kleinkindhaften Haltung zu tun zu haben: Ich, nur ich, ich allein und ich zuerst. Diese wird durch die Möglichkeiten digitaler Medien und Kommunikation noch verstärkt.
Als wir noch Bücher lasen und uns aus Zeitungen informierten, konnten wir Kommentare handschriftlich am Spaltenrand anbringen. Doch waren diese Marginalien in erster Linie für uns selbst gedacht. Heute sind sie gleichzeitig ein Impuls in die (digitale) Welt – wie unsere Kommentare bei Facebook oder LinkedIn, die den Autoren auch im Schlaf erreichen, wenn er dies zuließe.
Auch wenn digitale Kommunikationsmedien nicht die eigentliche Ursache sind – und auch nicht die Generationen X bis Z und deren Eltern: Social Media und Messenger verstärken den Effekt, dass meine Arbeit, meinen Ablauf, meine Konzentration zu jeder Zeit unterbrochen werden könnte durch andere. Es sei denn, ich unternehme aktiv etwas dagegen. Etwa, indem ich mich bewusst organisiere und/oder die Benachrichtigungseinstellungen von Apps entsprechend konfiguriere.
Realer Meinungsaustausch
Leider geben auch öffentlich-rechtliche Talkshows kein gutes Vorbild ab, wenn es um Zuhören geht. Und das, obwohl diese doch einen Bildungsauftrag haben. Dort wird einander unterbrochen und auf eine Weise geantwortet, die keinen Bezug zur zuvor gestellten Frage erahnen lässt.
Moderierendes Fachpersonal ist sehr hilfreich in Versammlungen und Besprechungen. Es sorgt für gleiche Redeanteile und darüber hinaus dafür, dass keine Beziehungsstörungen entstehen sowie Gesagtes verstanden wird – etwa durch Paraphrasieren oder Doppeln. Doch dieser Aufwand ist für regelmäßige Meetings oft zu hoch, kostet zusätzlich Zeit und Geld.
Reihum nacheinander reden
Im Kapitel Wie Meetings anders ablaufen können im Buch Magic✯Meetings (3), beschreibe ich eine einfach zu praktizierende Art, wirkliches Zuhören zu ermöglichen: Teilnehmende reden reihum in der Reihenfolge der Sitzordnung. Jeder Person hat ihren Redeanteil und wird nicht unterbrochen. Wer nichts sagen will, gibt weiter.
Probiere es einmal in der Familie oder einer anderen Gruppe aus: Jeder kann zu einem Stichwort oder Tagesordnungspunkt ein paar Sätze sagen. Dann ist die nächste Person an der Reihe. Sie wird sich entscheiden, wie sie ihren Redebeitrag füllen will: In dem sie auf die Vorreden eingeht oder die eigene Meinung darstellt.
Diese Kommunikationsform der Urvölker hat beruhigende Effekte auf das Miteinander und die Psyche der beteiligten Menschen. Was könnte hilfreicher sein, wenn man gemeinsam zu Ergebnissen und Beschlüssen kommen möchte?
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➜ magic-meetings.de
Quellen
- ›Zuhören ist der Sehnsuchtsort par excellence‹, Bernhard Pörksen im Gespräch mit Catherine Newmark …
- Erwachsenes Zuhören, von Jürgen Willmann …
- Magic✯Meetings · Wie man in Besprechungen und Versammlungen zu tragfähigen Ergebnissen kommt …