Zukunft? Welche Zukunft?

Es gibt fast immer eine wei­te­re Idee

Nach einem lan­gen Arbeitstag läuft Geschäftsführer Peter H. abwe­send über den lee­ren Firmenparkplatz zu sei­nem Wagen. Sein Tag war lang, sein Gang ist kraft­los und sein Kopf leer. Die Arbeitstage sind gera­de extrem dicht und vol­ler neu­er Herausforderungen. Die aktu­el­le Krise belas­tet sein Geschäft. Obendrein müs­sen unab­läs­sig neue Anforderungen der Behörden umge­setzt wer­den. Das bin­det Aufmerksamkeit und kos­tet Energie. Was ist nur aus mei­nen Plänen gewor­den, denkt er bei sich. Er woll­te das Unternehmen fit machen für die Zukunft und die nächs­te Generation.

Mit sei­nem ope­ra­ti­ven Tagesgeschäft war er immer gut aus­ge­las­tet. Da fie­len stra­te­gi­sche Aufgaben schon ein­mal durchs Raster. Doch jetzt kam der Virusimport zusätz­lich on top, und es wur­de über­deut­lich, was er bis­her ver­säumt hat­te, was längst hät­te in tro­cke­nen Tüchern sein sol­len: eine Zukunftsstrategie für das Unternehmen und gleich noch ein Konzept für den Übergang in die nächs­te Generation – an sei­ne Kinder oder ande­re Unternehmensnachfolger. Er wuss­te, es braucht Idealismus und Herzblut, einen Betrieb wie die­sen zu füh­ren. Sogleich stieg Ärger in ihm hoch. Hätte er die­ses Konzept schon ange­gan­gen, dann hät­te er jetzt viel­leicht schon Verbündete in die­ser auf­rei­ben­den Phase.

Immer ist irgendetwas

Nun drück­te die Krisensituation ande­re wich­ti­ge Aufgaben kom­plett an den Rand. Die Medien spra­chen büro­kra­tisch kühl von einer pan­de­mi­schen Lage. Für sein Unternehmen und ihn als geschäfts­füh­ren­der Gesellschafter bedeu­te­te dies, mit weni­ger aus­kom­men zu müs­sen: weni­ger Aufträge, weni­ger Personal, weni­ger Hoffnung. Er wünsch­te sich sehn­lichst Klarheit und eine Zukunftsperspektive – ein Bild, auf das er sich kon­zen­trie­ren, ein Leuchtturm am Horizont, auf den er zuhal­ten konn­te. Doch wie kommt man zu Zielen, Visionen, Perspektiven, wenn nichts mehr ist, wie es ein­mal war?

›Die Zukunft kann man am bes­ten vor­aus­sa­gen, wenn man sie selbst gestal­tet.‹ Dieser Satz stammt vom fran­zö­si­schen Ökonomen Jean Fourastié, dem Mitentwickler der Drei-Sektoren-Hypothese für die wirt­schaft­li­che Entwicklung eines Staates. [1]

Mehr als eine Möglichkeit

Abb. 2

Als er sich frag­te, wie er sein Unternehmen gera­de jetzt auf die Zukunft aus­rich­ten sol­le, fiel es ihm plötz­lich wie­der ein. Der Vorstand einer Gesellschaft für Zukunftsentwicklung hat­te in einem Vortrag von alter­na­ti­ven Zukünften gespro­chen. Das war lan­ge, bevor der trump­sche Begriff alter­na­ti­ver Fakten die Runde mach­te. In dem Vortrag damals berich­te­te der Zukunftsplaner, wie die Kombination ver­netz­ten Denkens zu alter­na­ti­ven Szenarien führt. [2]

Doch wie geht das genau? Diese Zukunftsberatung war kei­ne Option, beglei­te­te sie vor­nehm­lich Konzerne und Branchenverbände. Wer konn­te ihn als Mittelständler unter­stüt­zen? Bei sei­ner Wirtschaftskammer ver­miss­te er die­se Kompetenz. Der dort für Zukunft und Innovation zustän­di­ge Geschäftsführer war fast zehn Jahre älter als er selbst. Vermutlich hat­ten ihm sei­ne Enkel bei­gebracht, ein Smartphone zu benut­zen. Und die regel­mä­ßi­gen Zukunftsveranstaltungen sei­nes Verbands waren eine vor­her­sag­ba­re Mischung aus Berater-Speeddating und Nabelschau der Branchenprimi.

Das muss doch auch anders gehen, fluch­te er lei­se und blieb abrupt ste­hen. Es muss doch auch für uns eine Möglichkeit geben, die­se Methoden mit Bordmitteln anzu­wen­den – ohne rie­si­ge Honorarrechnungen. Dann stieg eine Idee in ihm auf, gepaart mit Zuversicht. Er spür­te, wie er sich auf­rich­te­te und zugleich entspannte.

Gleich mor­gen wür­de er etwas anders machen und sich um einen ers­ten wich­ti­gen Schritt in Richtung Zukunft küm­mern. Er wuss­te auch schon, woher er die not­wen­di­ge Zeit neh­men woll­te. Ihr regel­mä­ßi­ges Vertriebs-Jour-fix ver­kam eh immer mehr zu einer kol­lek­ti­ven Kummerrunde. Das soll­te ab mor­gen anders wer­den. Es wird Zeit, gemein­sam wie­der nach vorn zu bli­cken, beschloss er. Als er in auf den Fahrersitz fal­len ließ, fühl­te er sich vita­ler als weni­ge Minuten zuvor. Schwungvoll glitt er mit sei­nem Wagen davon.

Das Denken ändert die Richtung

Abb. 3

Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wech­seln kann, behaup­te­te der fran­zö­si­scher Schriftsteller, Maler und Grafiker Francis Picabia. [3] Genau dies hat­te Peter H. getan: Er hat­te eine ande­re Richtung des Denkens ein­ge­schla­gen – und das auf intui­ti­ve Weise gleich mehrfach:

  1. Zuerst ist er aus dem gewohn­ten Trott aus­ge­stie­gen und auf die Bremse getre­ten – ver­mut­lich aus Erschöpfung oder gar Resignation. Diesmal ist er nicht nach sei­nem Arbeitstag wie gewohnt unbe­wusst ins Auto gestie­gen und wie fern­ge­steu­ert heim­ge­fah­ren. Er hat statt­des­sen einen Moment innegehalten.
  2. Dann pas­sier­te etwas, das meist außer­halb gewohn­ter Umgebungen geschieht: Seine Intuition war ange­sprun­gen und ein Aha-Effekt ist ein­ge­tre­ten. Diese plötz­li­chen Einsichten sind inzwi­schen wis­sen­schaft­lich erforscht. Es kann sogar nach­ge­wie­sen wer­den, dass dann ein ande­res Hirnareal anspringt, als wenn man wei­ter grü­belt und ana­ly­siert. [4] Man weiß inzwi­schen auch, was sol­che Aha-Effekte begünstigt.
  3. Zu guter Letzt hat er beschos­sen, das Vertriebsmeeting zu nut­zen und auch dort den gewohn­ten, ver­mut­lich immer glei­chen Trott zu unter­bre­chen. Allein dies könn­te bereits im Team einen Perspektivwechsel und wei­te­re Aha-Erlebnisse anre­gen. In jedem Fall jedoch nutzt er so das ver­bor­ge­ne Potenzial sei­ner Mitarbeitenden. Sicher hat sich auch dort der eine oder ande­re Mensch bereits Gedanken über die Zukunft gemacht. Doch jetzt wur­den sie zu Verbündeten.

Die Weisheit der Vielen ist mehr als viel Wissen

Abb. 4

Solche Veränderungsprozesse lau­fen nicht immer gerad­li­nig und schon gar nicht von selbst – ob nun bei der Krisenbewältigung oder der Entwicklung einer Produkt- oder Zukunftsstrategie. Ich will hier vor­sorg­lich dar­auf hin­wei­sen, dass gele­gent­lich Frustrationen zu über­win­den sowie Hindernisse und Engpässe zu umschif­fen sind. Deswegen nut­zen selbst erfah­rens­ten Hochseekapitäne exter­ne Lotsen, um sicher durch schwie­ri­ge oder unbe­kann­te Gewässer zu kom­men. Dabei ent­ste­hen zusätz­li­che Kosten.

Doch was ist die Zukunft eines mit­tel­stän­di­schen Unternehmens wert – oder der gelun­ge­ne Übergang auf die nächs­te Generation, die gesi­cher­te Unternehmensfortführung sowie die Verrentung und damit das Auskommen für die bis­he­ri­gen Eigner? In man­chen Fällen genüg­ten sechs bis neun ½‑tägige mode­rier­te Workshops übers Jahr ver­teilt. Was ist das schon im Vergleich zu inhalts­lee­ren Besprechungen, in denen nichts ent­schie­den wird?

Dazu braucht es jedoch den fes­ten Willen der Eigner, die Zukunft anzu­ge­hen – es braucht eine Entscheidung. Falls die noch nicht gefal­len ist, es Bedenken gibt, hilft ein Gespräch mit einem ver­sier­ten Lotsen – ein zeit­li­ches Engagement, das kaum län­ger dau­ert als ein Fußballspiel.

Viel Spaß und viel Erfolg mit Ihrer Entscheidung, jetzt den ers­ten Schritt zu tun – in eine selbst­ge­stal­te­te Zukunft.

Verweise

  1. https://de.wikipedia.org/wiki/Jean_Fourasti%C3%A9
  2. https://​www​.scmi​.de/​d​e​/​s​z​e​n​a​r​i​e​n​-​h​a​n​d​e​l​s​l​o​g​i​s​tik
  3. https://​de​.wiki​pe​dia​.org/​w​i​k​i​/​F​r​a​n​c​i​s​_​P​i​c​a​bia
  4. https://​www​.fair​buch​.de/​s​h​o​p​/​a​r​t​i​c​l​e​/​2​7​6​7​6​6​9​7​/​m​a​r​k​_​b​e​e​m​a​n​_​j​o​h​n​_​k​o​u​n​i​o​s​_​d​a​s​_​a​h​a​_​e​r​l​e​b​n​i​s​.​h​tml

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  1. Harut Movsisyan
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